Er habe sich nichts dabei gedacht, sagte der 15jährige zur Polizei, der in Seewalchen am Attersee eine Schnur über einen Rad- und Gehweg gespannt hatte. Ein E-Biker war dadurch zu Sturz und Verletzungen gekommen (Der Standard, 26.08., S. 8). Ähnlich argumentieren diejenigen, die von Balkon oder Fenster aus in die Luft schießen oder sonst irgendwie „spontan“ ihren „Eingebungen“ folgen.

Das Wort „Eingebung“ beinhaltet im Gegensatz zu „Idee“, dass man keinerlei Ansatz einer Verantwortung „spürt“: Es fehlt die neuronale Verknüpfung des geistigen Bildes oder des emotionalen Zielgefühls mit dem verantwortlichen Ich. Was heißt das konkret? Bevor man sich im Stillen – im sogenannten „inneren Dialog“ – Handlungsanweisungen, Gebote oder Verbote gibt, hat man einen Sinneseindruck: Man sieht, hört, spürt, riecht oder schmeckt etwas und das löst eine Empfindung aus, nämlich „angenehm“ (und eventuell den Impuls „näher ran“ bzw. „in Besitz nehmen“) oder „unangenehm“ („nur weg hier“ oder „schnell kaputt machen“) oder zumindest „interessant („mehr herausfinden“). Das läuft sekundenschnell und meist unbewusst ab – es wird noch nicht „behirnt“. Um nicht nur auf Stammhirnniveau wie ein Tier auf „Reize“ zu reagieren, braucht es ein minimales Quäntchen Zeit um sich bewusst zu entscheiden, ob und wie man handeln will.

Solch ein Reiz kann aber auch eine Phantasie sein – oder ein geistiger Inhalt, der irgendwann in der Vergangenheit eingespeichert wurde, z. B. eine Filmszene, in der ein (angeblicher) Witzbold oder aber Fallensteller eine Stolperschnur spannt. Ich erinnere mich dunkel an solche Szenen aus Robin-Hood-Filmen … doch sollte man den „Rahmen“ (den „frame“) dieser Szenen bedenken – nämlich dass Robins Kampf gegen den bösen Sheriffs von Nottingham eine Legende darstellt. Seine historische Existenz ist nicht belegt. Wer sich aber mit Robin Hood identifiziert, mag solche filmische Inszenierungen nachahmen … eine Gefahr in Zeiten wie den gegenwärtigen, in denen solche Vor-Bilder laufend schon den Kleinsten zugänglich sind. Dann heißt „nichts dabei gedacht“ aber konkret, dass nicht nur Gedanken fehlen, was man so alles Arge anrichten könnte, sondern auch anleitende Personen, die die Wissenslücken füllen.

Im Recherchieren nach ähnlichen Gedankenlosigkeiten stieß ich im Internet auch auf den Tumult um einen Großvater, der beim Warten auf den Unterrichtsschluss vor der Schule seiner Enkel andere Kinder fotografierte. Auch er gab an, sich nichts dabei gedacht zu haben (www.general-anzeiger-bonn.de/Region/Nichts-dabei-gedacht-Fotograf-meldet-sich-article178460.html) – aber offensichtlich taten dies die anderen Erwachsenen, die in ihm wahrscheinlich einen fotosüchtigen Pädophilen vermuteten. Ähnlich überrascht war einer meiner Klienten, ein Schauspieler, der am Set eine ihm unbekannte junge Frau fotografierte, weil ihm ihre Ähnlichkeit mit einer bekannten Kollegin aufgefallen war und er ihr sein Foto dieser bei Gelegenheit zeigen wollte. Die Unbekannte bemerkte sein Tun und empörte sich – zu Recht, denn auch hier fehlte nicht nur die Bitte um Erlaubnis – immerhin gibt es ein verbrieftes „Recht aufs eigene Bild“ – sondern vor allem auch die Erklärung für diese Grenzverletzung.

Die Umgangsregeln haben sich verändert: Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse nach Sicherheit und Abgrenzungen. Wenn man nicht die Sensibilität besitzt, Grenzen zu spüren oder zumindest deren Existenz zu bedenken und womöglich auch nicht genug  Respekt vor der Selbstbestimmung anderer (vor allem von Frauen und Kindern – denn bei Männern rechnen doch viele mit aggressiver Abwehr), sollte man einüben um Erlaubnis zu fragen, und wer das nicht will, muss Konsequenzen erleben, sonst lernt man(n) nichts dazu.