Der Leiter des Sozialen Dienstes einer Justizanstalt hat der Gattin eines Inhaftierten 63 (!) SMS und ein Foto seines Penis geschickt, wie die Wiener Stadtzeitung FALTER öffentlich gemacht hat (https://www.falter.at/zeitung/20200623/findest-du-mich-schlimm?fbclid=IwAR0UoGQLAHE4nciLnCqY_e_2UmFZ2sUpP0iYc3yH9mJpu1HQ9TZGiMAoDYk).

Daraufhin wurde er kurz vom Dienst abgezogen, bald darauf war er wieder in Amt und Würden. Leider konnte ich nirgend die Begründung seiner Dienstaufsicht dafür finden, muss also fantasieren: Vermutlich haben Männer entschieden und fanden das nicht arg. Ist es aber.

Mir fällt dazu die Szene aus „Pretty Woman“ ein, in der der Berufspartner von Richard Gere Julia Roberts fast vergewaltigt, offensichtlich in der Meinung, dass sich eine „Bordsteinschwalbe“, sprich Prostituierte, alles gefallen lassen muss (selbst wenn sie nicht „im Dienst“ ist – aber auch dort gilt der „Arbeitsvertrag“). Ähnlich weiß ich von vielen Klientinnen, wie sie nach ihren Scheidungen von Kollegen belästigt wurden, die sich in die Ansicht verstiegen, der Frau den nunmehr (vermutet) fehlenden Geschlechtsverkehr „spenden“ zu müssen und nur schwer auf Distanz zu halten waren. Dafür sorgt jetzt der § 107 a gegen „Stalking“, d. h. beharrliches Verfolgen, auch mittels elektronischer Medien (https://www.oesterreich.gv.at/themen/bildung_und_neue_medien/internet_und_handy___sicher_durch_die_digitale_welt/3/1/Seite.1720720.html).

Von Staatsbediensteten sollte man Gesetzestreue annehmen können. Jedenfalls muss sie verlangt werden. Dazu gehört der Respekt vor Grenzen – denen des Berufes, denen des allgemeinen Anstands (der bekanntlich im Abstand besteht – Nähe muss immer erst erarbeitet werden sonst ist es ein Überfall), auch denen der sexuellen Selbstbestimmung. Die beginnt aus Gesundheits-Sicht bereits dann, wenn jemand Dysstress zugefügt wird (und für jemand, der/die bereits als Kind sexuell belastet wurde, bedeutet das vielfach sogar Retraumatisierung).

Zur Gesetzestreue gehört auch Respekt vor dem Briefgeheimnis und damit Verschwiegenheitspflicht, keinerlei sexuelle aber auch z. B. finanzielle (daher auch keine Geschenkannahme!) Lebensbeziehungen, solange ein Abhängigkeitsverhältnis besteht und klarerweise keinerlei Stalking (Erzwingen von privaten Beziehungen). Auch wenn die Person, die den zitierten Sexmaniac nur kurzfristig vom Dienst abgezogen, am nächsten Tag aber wieder reinstalliert hat, Stalking nicht erkennen konnte oder wollte, so erfüllen 63 SMS sehr wohl den Tatbestand: Sie dringen in den persönlichen Sicherheitsbereich ein und schaffen zumindest Unruhe und unerwünschte psychosomatische Reaktionen. Das können und wollen sich unsensible bzw. sozial inkompetente Männer gar nicht vorstellen – und wer das nicht kann, disqualifiziert sich für einen Sozialberuf; dazu zählen auch alle Bildungs-, Gesundheits- und Exekutivberufe, weil dort Macht über Menschen ausgeübt wird – und leider zieht es Machtgierige gerne in diese Berufe. Nur berufsbegleitende Supervision – womöglich nicht einmal durch tiefenpsychologisch ausgebildete PsychotherapeutInnen oder gar nur MediatorInnen – ist da zu wenig. Wer Grenzen nicht respektieren will oder kann, kann durchaus auch einem asozialen oder antisozialen Persönlichkeitsprofil entsprechen oder gar einer krankheitswertigen Störung – auch wenn er „nur“ in kindlicher Koketterie „sein Spatzi zeigt“ und lockt „Findest du mich schlimm?“ (Antwort: Ja!)

Jedenfalls sagt dessen Verhalten viel über sein Frauenbild aus. Warum protestieren da nicht alle weiblichen Bediensteten im Justizressort (und in der Personalvertretung!) und verlangen die notwendige Grenzsetzung?