„Der Landesvater schien verzweifelt“, formulierte Christian Böhmer im gestrigen Kurier unter der Überschrift „Gratwanderung in Gummistiefeln“ und setzte einige Zeilen später seine Interpretation mit „Und das Bild des nachgerade trauernden Landeshauptmanns gehört bis heute zu den am stärksten polarisierenden Fotos, die von den umtriebigen Radlbrunner existieren.“ Fairerweise ist dieses Foto dazu gestellt – und jedermensch, der sein Sensorium für Authentizität noch nicht verrohen ließ, kann spüren, dass es hier nicht um Trauer geht, sondern um Ergriffenheit (um die medial immer wieder als „Modewort“ kritisierte Bezeichnung Betroffenheit zu vermeiden). Und weiter heißt es, „Wann immer Naturkatastrophen Dörfer oder Regionen zerstören, fühlen sich Politiker verpflichtet, vorstellig zu werden.“

Nun möchte ich durchaus kritische Medienberichte gut heißen, wenn sie sachlich sind – nicht aber, wenn sie nur persönliche Animositäten zum Ausdruck bringen. Ich gehe davon aus, dass diese Wortwahl bewusst gesetzt wurde (was keinen Unterschied zu unbewusster Wortwahl bedeutet, denn, wie Paul Watzlawick betonte, immer wenn jemand etwas von sich gibt, gibt er etwas von sich). Dass ich beispielsweise so sensibel auf unterschwellige Manipulationen und sublime Gewalt reagiere, hat nicht nur damit zu tun, dass dies Inhalt meiner Forschungen, meines Unterrichts und meiner Publizistik ist, sondern auch mit meiner Biographie voll Verleumdungen und Schmerzen von klein auf. Wenn man jemand nicht mag, kann man das ja auch direkt(er) sagen.

In allen tiefenpsychologischen Psychotherapieformen werden die Ausbildungskandidaten daraufhin befähigt, „Kongruenz“ (Echtheit, d. h. Gefühle und Ausdruck stimmen überein) von „Inkongruenz“ (Gefühle werden „gespielt“ oder von „Ersatzgefühlen“ verzerrt, egal welche soziales Überleben sichernden Ursachen dies haben mag) zu unterscheiden. Wer Erwin Pröll (oder etwa Waltraud Klasnic, denken wir nur an das Grubenunglück von Lassing) persönlich des Öfteren erlebt hat, kennt deren Echtheit, in der Verzweiflung, aber auch im Ärger oder auch in der Wut. Manche scheuen sich eben nicht, auch Mensch zu sein und nicht nur „Staatsmann“. Nur „Staatsmänner“ hingegen pflegen zuerst ins Manuskript zu blicken, bevor sie ihren „Zorn zum Ausdruck bringen“.

Es gibt Menschen, für die ist es gewohnt, in Gummistiefeln im Dreck zu waten. Bauernbuben etwa. Die sind auch gewohnt, spontan loszurennen, wenn eine Notsituation schnelles Eingreifen erfordert. Beamtenkinder tun sich da schwerer, die brauchen später meist „Ansager“ wie z. B. Spindoktoren, damit sie in Bewegung kommen. Ich erinnere mich gut, wie mein Ehemann, damals Pressereferent des Umweltstadtrats, beim letzten Hochwasser in Wien mir Mitarbeiter der Feuerwehr schickte, ich möge ihnen seine Gummistiefel und Wathosen mitgeben und die nächsten Tage nicht mit seiner Heimkehr rechnen, weil er vor Ort agieren wollte – so wie er es von seinen Eltern aus der Landwirtschaft gewohnt war.

Sicherlich gibt es Menschen, die im Katastrophenfall eine andere „Rolle“ spielen wollen als „Gleicher unter Gleichen“ – sie sind es halt anders gewohnt. Beides darf sein – aber erkennbar sollte es sein und nicht gezielte Publikumstäuschung, und dazu zähle ich auch hämische Formulierungen.