Alles, was wir „können“, haben wir „gelernt“ – und damit meine ich, wir haben Wahrnehmungs- und Handlungsnervenzellen gebildet und in unseren Neurosignaturen eingespeichert. Ausgangspunkt sind primär immer Vor-Bilder, mit denen man sich unbewusst identifiziert, weil sie Macht bzw. Überlegenheit signalisieren. Dazu genügt bereits, sich die überreich vorhandenen Modelle aus Film und Fernsehen „rein zu ziehen“, eine Art Mentaltraining zum Kleinkriminellen.

Nun kam es in einer Wiener HTL zu einem psychischen wie letztlich physischen Machtkampf zwischen einem offensichtlich körperlich unterlegenen Lehrer (der als Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft zum Außenseiter im Lehrkörper prädistiniert erscheint) und starken jungen Männern, die sich nicht „schulmeistern“ lassen wollen. Die Tageszeitungen sind voll von den Videos, die die Jugendlichen aufgenommen und auf Youtube verbreitet haben. Die elektronischen Medien für jederman machen so etwas möglich, und sind einerseits als Dokumentation möglicher Schutz (Stichwort Bodycams in der Exekutive), andererseits aber auch eine Waffe, mit der unbeliebte „Gegnerschaft“ bloßgestellt, beschämt, tyrannisiert, gestalkt und psychisch fertig gemacht werden kann – so wie das ja auch Medienkampagnen können.

Jetzt wird nach Time-out-Klassen für Störenfriede gerufen. Dieses Problemlösungsmodell ist nicht neu – ebenso wenig wie die Forderung nach Schulsozialarbeitern (die bereits vor über zehn Jahren vom damaligen Wiener Stadtschulrats-Vizepräsidenten Walter Strobl, ÖVP, erhoben wurde – wir hatten bereits am 01.09.2006 dazu im Café Stein mitsammen eine Pressekonferenz abgehalten – geschehen ist aber nichts). Ich selbst hatte 1977–1986 als Haus- und Projektleiterin im Verein Wiener Jugendzentren überreiche Erfahrungen mit Problemjugendlichen und ebenso Problemeltern (auf die ja gerne vergessen wird) gemacht und eben deswegen psychoanalytische Sozialtherapie gelernt und praktiziert; die konnte ich auch teilweise seit 1996 in meiner Vorlesung „Didaktik der Gewaltprävention“ am Zentrum für die schulpraktische Ausbildung der Universität Wien Lehrkräften vermitteln und ihnen Rüstzeug für ihren Schulalltag aufzeigen – denn schon damals war die Problematik aufgetaucht. 2006 und 2007 habe ich dann zwei einschlägige Studien mit NÖ Landeslehrkräften durchgeführt und als Bücher „Mut zum Unterricht“ und „Feindbild Lehrer?“ im Aaptos Verlag veröffentlicht, da sagten die Teilnehmenden bereits: „Früher hatten wir ein, zwei Störenfriede – jetzt sind es fast zwei Drittel in der Klasse“. Daraufhin habe ich, aufbauend auf meiner Sozialtherapieausbildung und angereichert durch psychotherapeutische Erfahrung, welche Interventionen helfen, meine Methode PROvokativpädagogik entwickelt und in 4 Lehrgängen als nebenberuflich machbares Masterstudium  universitär unterrichtet (und auch ein Buch dazu geschrieben).

Hätte der nunmehr ins Kreuzfeuer der Kritik geratene HTL-Lehrer diese Ausbildung besessen, hätte er nicht in „gerechtfertigter Empörung“ wie ein Lama – oder Drache – gespuckt … denn wenn man sich schon für „tierische“ Reaktionen entscheidet, genügt Knurren … vorausgesetzt, man ist angstfrei und hat mentale Kraft. Beides kann man lernen (s. o.).

Von Time-out-Ausgrenzungen halte ich gar nichts. Damit lernt man nichts PROsoziales. Es bedeutet nur getarntes In-die Ecke-Stellen und damit Diskriminierung, und die lassen sich ich-starke oder auch „halbstarke“ Menschen nicht mehr gefallen. Ich halte auch nichts von Mitleidsheischen à la „er war halt überfordert“. Ich halte viel von sachlicher Analyse des Geschehens von Beginn der Kommunikationsstörung an. Ich halte viel von der Einmahnung der „Fürsorgepflicht des Arbeitgebers“ (s. Arbeitnehmerschutzgesetznovelle 2013!) – eine Bringschuld, keine Holschuld! Vorgesetzte müssen sich darum kümmern, wie es ihrer Mitarbeiterschaft geht! Ich halte viel von generellem Handyverbot in Schulen. Ich halte viel von „Kriminalpädagogik“ (Copyright weiland DDr. Viktor Pickl): Jugendliche sollten spätestens mit Erreichung der Strafmündigkeit wissen, was alles als „tätliche Beleidigung“, wie drohende Zutrittsbehinderungen, einen Strafrechtstatbestand erfüllen kann – und dass man den Mund sprechen lassen sollte und nicht die Fäuste, und wenn man doch die Beherrschung verliert, man ehrenvoll Verantwortung übernehmen und Wiedergutmachung leisten muss. Das gilt auch für all diejenigen, die menschenrechtswidrige Videos im Internet verbreiten.