In den Medien häufen sich wie jedes Jahr dir Rückblicke auf Polit-, Kultur- und Sportereignisse sowie die Erinnerungen an die, die dieses Jahr von uns gegangen sind. Das Video der Schande (Ibiza-Peinlichkeit) fehlt da kaum irgendwo – aber gottlob hat Bundespräsident Van der Bellen gleich der zwölften Fee im Märchen vom Dornröschen (Originaltitel bei Charles Perrault: „La Belle aux bois dormant“ – zu Deutsch: „Die im Wald schlafende Schöne“ – der Titel könnte oft auch auf Österreich passen!) den Fluch der uneingeladenen dreizehnten mit dem Segensspruch „So sind wir nicht!“ abgewendet.

Solch ein Segensspruch fehlt bei dem unsagbar peinlichen Eiertanz rund um das Bemühen einer muslimischen Familie, sich in Weikendorf im östlichsten Niederösterreich anzusiedeln. Übrig bleibt nämlich „So sind wir doch!“ – nämlich fremdenfeindlich und stur (positiv formuliert „Prinzipientreu“), weil nicht bereit, Vorurteile zu überprüfen und die vermutlich dahinter liegenden Befürchtungen im „Dialog“ (damit beziehe ich mich auf die Methode nach David Bohm, nachzulesen bei dem im Waldviertel ansässigen Arbeitspsychologen Michael Benesch, „Psychologie des Dialogs“, facultas/ Wiener Universitätsverlag ) oder auch mediatorisch zu bearbeiten. Dabei hätte man nur 9 km zu mir – ausbildungsberechtigte (!) Ur-Mediatorin als sowohl Juristin wie auch Gesundheitspsychologin / Psychotherapeutin – fahren müssen, um die verschiedenen alternativen Problemlösungen zu durchdenken und friedfertig auszuhandeln.

Ich erinnere mich an einen Vortrag zu Gewaltprävention und Friedensarbeit, den ich in den 1990er Jahren in Bregenz gehalten habe. Genau zu diesem Zeitpunkt sollte dort ein internationaler Kongress gegen Diskriminierung von LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) stattfinden, aber die Stadtverwaltung hatte die Buchung einer passenden Veranstaltungshalle verweigert und dafür viel mediale Kritik erhalten. Diese ablehnende Haltung sprach ich in meinem Vortrag als Beispiel für mangelnden Respekt gegenüber Menschen, die um ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen (müssen) und damit subtile Form von Gesundheitsschädigung der Betroffenen (am Kongress sollten ja auch nicht-betroffene Expert*innen aus dem Ausland teilnehmen), an. Daraufhin meldete sich ein älterer Mann aus dem Publikum zu Wort und verteidigte diese Entscheidung, weil „Solche wollen wir nicht bei uns haben!“ Ich fragte ihn daraufhin sehr ernsthaft, was konkret er denn befürchte, wenn die „solchen“ sich für zwei Tage Kongressteilnahme in der auslandsnahen Landeshauptstadt aufhielten. Darauf stieß er gepresst hervor (wörtliches Zitat) „Wegen dem AIDS!“ Ich wiederholte daraufhin mit eigenen Worten, was ich aus dieser Äußerung heraushörte: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, befürchten Sie, dass die Ortsfremden junge Männer zum Geschlechtsverkehr verführen und mit AIDS anstecken könnten?“ worauf er dies bejahte. Dazu meinte ich bedauernd, er habe offensichtlich wenig Vertrauen, dass junge heterosexuelle Vorarlberger kein Interesse an gleichgeschlechtlichen sexuellen Aktivitäten hätten … und dass homosexuell liebende Männer sehr wohl über Verhütung Bescheid wüssten und genau deswegen solche Kongresse nötig wären, um dieses Gesundheitswissen möglichst weit zu streuen … Ich habe mich während dieses Zwiegesprächs sehr bemüht, auf unfaire Formulierungen oder ebensolche verbale Färbungen zu verzichten, denn mein Ziel war nicht, ihn mundtot zu machen sondern ihm und dem Publikum zu zeigen, dass Ängste durchaus berechtigt sein können – oder auch nicht, wenn man sie genau durchdenkt.

Ich erlebe immer wieder, dass Personen – selbst solche, die als Fachleute gelten – sofort in aggressive Abwehr gehen, wenn sie etwas hören, das nicht in ihr „geistiges Bild“ passt, anstatt die Möglichkeit eines Missverständnisses (Vorurteils) zuzulassen oder einfach nur um mehr Information zu bitten. (Und sich von der Aggression nicht anstecken zu lassen, denn dann verschiebt sich der Anlass zum Fremdschämen auf einen selbst.)