Sein Motiv wäre Eifersucht gewesen, wird der junge Mann zitiert, der in Kitzbühel bewusst fünf Menschenleben ausgelöscht haben soll. Was in ihm konkret vor und während der Horrornacht vorgegangen ist, werden Gerichtspsychiater klären müssen – und möglicherweise kommen ganz andere Motive zum Vorschein. Ich vermute tiefe Verletzungen des Selbstwertgefühls, Rachebedürfnisse und eiskalte Wut – ein Gefühlsmix, wie er von denjenigen bekannt ist, die Massaker in Schulen anrichten.

Eifersucht – Rivalität – erleben viele gelegentlich in ihrem Leben. Sie neigen dann dazu, die ursächlichen Personen zur Rede zu stellen, heimlich auszuspionieren, vielleicht auch zu stalken (d. h. durch hartnäckiges unerwünschtes Verfolgen in ihrer Lebensführung zu beeinträchtigen) – und Stalking kann sich sowohl zu einem Wahn oder aus einem Wahn heraus entwickeln, muss das aber nicht. Es gibt sehr viele ganz unterschiedliche Erscheinungsformen – aber alle haben mit verweigerter Wertschätzung zu tun. Und genau durch diese Art von Respekt könnten die quälenden Gefühle, nicht ernst genommen zu werden, auch beseitigt werden – nur wissen wenige, die richtigen Worte und den richtigen Ton zu finden. Menschen im Zustand der Verzweiflung das Gespräch zu verweigern oder sie weg zu treiben, kann dann das eigene Todesurteil bedeuten. (Deswegen bin ich der Meinung, dass bei Wegweisungen die zu schützenden Personen von vorn herein konkrete Anleitungen für deeskalierende Gesprächsführung benötigen und erhalten sollten – nicht nur Empfehlungen, sich polizeiliche oder sozialarbeiterische Unterstützung für den zu erwartenden „Abwehrkampf“ zu holen.)

Um vom Gefühl der Eifersucht zum Tötungs-Antrieb zu gelangen, braucht es mehrere emotionale „Puzzle-Steine“ in einer Art Klimax (d. h. aufeinander folgende Steigerungen): Die Wurzel der Gewalt ist immer der – wenn auch unbewusste – Vergleich. Jemand behandelt einen in einer Weise, dass man sich nicht geachtet sondern herabgemindert fühlt, beispielsweise indem man jemand anderen vorzieht, lobt, bewundert. Das kann etwa passieren, wenn ein Geschwister (Mitschüler) einem anderen immer wieder als „gutes Beispiel“ vorgehalten wird und es nie mal umgekehrt geschieht. Oder wenn jemand sich im Ton vergreift und den anderen demütigt – z. B. indem er seine (oder ihre) Gesprächswünsche ignoriert, ihn (oder sie) beschimpft, verspottet … „narzisstisch kränkt“ heißt das in der psychologischen Fachsprache.

Es ist nicht Eifersucht sondern verletztes Ich-Gefühl, das Empfinden, „wie der letzte Dreck“, wie ein „Nichts“ behandelt zu werden, das die einen in tiefe Depression stürzen lässt. Das sind die, die die Aggression, die ihnen helfen würde, sich aufzurichten und zu zeigen, dass und wie wertvoll sie sind, gegen sich selbst richten, oft auch bis zur Selbsttötung. Die anderen richten diese Aggression gegen diejenigen, die sie für die Verursacher ihrer Seelenqualen halten – und denen „wollen sie es zeigen“, nämlich dass man vor ihnen Respekt – und den setzen sie mit Angst gleich – haben muss. School-Shooter planen meist lange Zeit ihre „Rache an der Gesellschaft“ sprich Schulgemeinschaft, bis sie die Realisierung samt eigenem spektakulären Tod „inszenieren“. Die Rache-Schützen des Alltags agieren wie in häufigen Wildwest-Filmszenen: „Ein Mann sieht rot“ und ballert bis er wirklich „rot“ sieht, Blut nämlich.

Das alles hat längst nichts mehr mit trivialer Eifersucht zu tun – aber vor Gericht hört es sich gut an … Vor allem auch, weil es als medial multipliziertes Narrativ so einleuchtend scheint, denn wer wollte nicht schon einmal wen anderen weghaben, der einem „im Weg gestanden“ ist?