Im Interview zur Präsentation meines letzten Buches „Aufrichten! Anleitung zum seelischen Wachstum“ (Verlag ORAC) im Österreichischen Journalisten Club fragte mich dessen Gründer und Leiter Fred Turnheim, ob ich für Ausgrenzung der Rechten sei. Ich verneinte – denn durch Ausgrenzung verschwindet ja nichts sondern kann nur unkontrolliert wachsen. Ich finde nämlich, man müsse Gegensätzliches zu verstehen suchen, um bis zu der Wurzel vorzudringen, aus der es entwachsen ist, und dann zu überlegen, was man tun kann, um die Gründe für diese Entzweiung aufzuheben – und das kann man nur, wenn man ausreichend Informationen besitzt und Verhaltensweisen erarbeitet, auf welche Weise man das bewerkstelligen kann.

Ächtung, Ausgrenzung, Ausrottung zählen unter anderen auch zu diesen Methoden – aber sie bedeuten Kampf und Vernichtung; außerdem macht man sich dabei selbst zur Waffe. Und zur Angriffsfläche. Und ob man das dann überlebt, ist fraglich.

Ich bezeichne es als Dornröschen-Strategie: In diesem gleichnamigen Märchen glaubt der König, Dornröschens Vater, die Erfüllung des Fluchs vom tödlichen – durch die letzte Fee auf hundert Jahre Schlaf gemilderten – Spindelstich verhindern zu können, indem er alle Spindeln verbietet – was ihm, wie das Märchen berichtet, nicht gelingt, weil er nicht damit rechnet, dass die Fluch-Fee schon selbst dafür sorgt, dass eine Spindel im Geheimen übrig bleibt. Besser wäre gewesen, seiner Tochter den Gesundheit schonenden Umgang mit Spindeln zu lehren.

Ähnlich sehe ich die geheimen antisemitischen Liedertexte in den – immer „zufällig“ in Endphasen von Wahlkämpfen – auftauchenden Gesangbüchern diverser Burschenschaften. Sie sind offenbar unreflektiert übernommene Zeitzeugnisse einer schrecklichen Epoche jüngster Vergangenheit, die verleugnet, verharmlost und bei Bedarf halbherzig demonstrativ abgelehnt wird, weil es so schwer ist, sich auf die Seite der Opfer zu stellen und einzufühlen, wenn man vielleicht Täter in der Familie hatte und diese verteidigen will – oder geheime Rachewünsche besitzt … so wie die von Dornröschens Geburtstagsfeier ausgeladene Fee, nur in diesem Fall nicht bloß gegen den König oder die  „Regierung“, sondern gleich gegen die gesamte demokratische Staatsverfassung. Beides wurzelt in tatsächlichem oder phantasiertem Ausgeladensein von den Festtafeln der Macht.

Wir alle werden zu binärem Denken erzogen, was bedeutet, in Gegensatzpaaren zu denken: richtig oder falsch, legal oder illegal, demokratisch oder autoritär (da tauchen bereits dritte und vierte Möglichkeiten auf!), angenehm oder unangenehm … in oder out, einbezogen oder ausgeschlossen. Eine andere Möglichkeit wäre, die „Festtafeln der Macht“ transparent zu machen und abzuräumen: Wer „diniert“ wo, mit welchen Freunden und Gästen und mit welcher Ernährungsideologie, und was treiben diese „Mitesser“ außerhalb, um sich diese „Ausspeisung“ zu verdienen … Wie lautete doch der Slogan in Thomas Klestils Bundespräsidentschaftswahlkampf 1992? „Macht braucht Kontrolle“!

Genau das geschieht derzeit in Ansätzen in den Medien: In die Buden hineinzuleuchten, in die Vorstandsetagen, in die Kammergremien … aber bitte auch in die „ganz gewöhnlichen“ Finanzgebarungen, in denen noch immer Frauen hungern müssen, während andere schlemmen.