In meinem neuen Buch „Komme was da wolle … Krisenkompetenz“ (ab Mitte nächster Woche im Buchhandel) kritisiere ich den unbedachten Umgang mit Suggestivworten wie „Krise“, „Trauma“ oder „Einsamkeit“: Sie besitzen Ansteckungspotenzial, d. h. sie lösen Identifikationsgefühle aus.

Etwas Ähnliches scheint derzeit, wo ein Straftatbestand gegen Hass im Netz eingeführt werden soll, viele statt zur Besinnung gebracht eher motiviert zu haben, einander in Hass-Äußerungen zu übertreffen. Vor Gericht heißt es dann, „die Stimmung“ habe einander aufgeschaukelt – man habe sich ja nichts Böses dabei gedacht. Eben – nichts gedacht.

Vorige Woche, als ich die von mir auf allen Regionalradios gesprochenen „Evangelischen Morgengedanken“ als „Briefe gegen Gewalt“ nicht nur für meine AbonnentInnen sondern auch auf Facebook veröffentlicht habe, habe ich viel Zustimmung erhalten – und dabei habe ich auch genau die Zeilen aus dem Jakobusbrief bearbeitet, in denen vor unbedachtem „Wortgift“ gewarnt wird (nachzulesen auf www.haltgewalt.at). Ich weiß schon, die da ihren Hass posten, sind der Meinung, dass ihnen ohnedies alle zustimmen. „Echokammer“ heißt das – nur: So ist es nicht. Es gibt noch anständige Menschen, die diesen Hass nicht wollen.

Ich habe voriges Jahr zu „Bürgernähe“ geforscht und in vielen Gemeinden – großen wie kleinen – Interviews mit Gemeindefunktionären wie auch BürgerInnen (und besonders Bürgerinitiativen) geführt. Fast alle haben ihren Widerwillen gegen die untergriffigen Politkämpfe geäußert, gegen das „den Gegner schlecht machen“, gegen die boshaften Witzeleien etc., und sie haben mehr Mitsprachemöglichkeiten gefordert, um genau das „denen da oben“ ins Gesicht zu sagen. Das ist nämlich etwas anderes als hinterrücks, die Hand in der Tasche zur Faust geballt, bei vermutlich Gleichgesinnten zu schleimen.

Ich bin jetzt 76 Jahre alt; 1973–1987 war ich Mandatarin der SPÖ (und habe dann  nicht mehr kandidiert, weil ich mich nach meinem Berufswechsel zur Psychoanalytikerin öffentlich neutral verhalten wollte). Im Favoritner Bezirks-Wahlkampf 1972/73 habe ich noch miterlebt, wie der damalige ÖVP-Vizebürgermeister Fritz Hahn auf dem Viktor-Adler-Markt (von Ankerbrot- und Bundesbahn-Gewerkschaftern) körperlich attackiert (auf den Kopf geschlagen) wurde. Bruno Kreisky hat solche Feindlichkeiten intern ausdrücklich verdammt – und sie haben aufgehört. Sie sind unwürdig. Ich ergänze: Außerdem schaden sie der Gesundheit – nicht nur derer, die diese Hassenergie gezielt „zugeschossen“ bekommen, sondern auch der eigenen. Sie verhärten das Herz (nämlich die Herzkranzgefäße); man muss nur darauf achten, wie Stress auf Atmung und Herz wirkt, dann spürt man es.

Noch nie wurden Regierende mit solchem Hass attackiert – weder andere „Nicht-fertig-Studierte“ wie Bundeskanzler Werner Faymann oder die Minister Karl Blecha oder Erwin Lanc (die allerdings nicht aus dem Studium in ein Regierungsamt berufen wurden – Josef Cap hat immerhin viele Jahre später in seinen 40ern fertig studiert) – noch sehr junge wie Hannes Androsch, der wurde sogar deswegen bejubelt und verehrt. (Franz Josef I. wurde ja auch mit 18 Kaiser …).

Der berühmte und von mir sehr geschätzte Wiener Sozialpsychiater und Psychoanalytiker Hans Strotzka (https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Strotzka) hat einmal in einem Vortrag im BSA gesagt, die Bewegungsunlust der heutigen Kinder sei bereits ein neurotisches Symptom – sie seien depressiv. Heute würde er wohl sagen: Der Hass im Netz sei ein neurotisches Symptom – diese Menschen seien anankastisch-paranoid.