In der Felsenbühne von Staatz im Wienviertel wird heuer das Musical „Der Graf von Monte Christo“ beeindruckend in Szene gesetzt. Abgesehen von den fulminanten gesanglichen Leistungen sticht vor allem die technische Kreativität ins Auge, mit der Intendant Werner Auer die Felsenarena zu nutzen weiß – das Publikum wird sogar optisch ins Meer hineingeführt, ein echte Überraschung!

Überraschung ist im Plot des gleichnamigen Romans von Alexandre Dumas ein wiederkehrendes Motiv: Als braver Briefbote gerät der junge Seemann Edmond Dantès in eine Intrige und landet vor dem stellvertretenden Staatsanwalt de Villefort, der ihn, obwohl er ihn gerade als unschuldig erkannte, überraschend verhaften lässt, weil er seine Karrierebestrebungen gefährdet.

Im berüchtigten Gefängnis auf der Insel Chateau d’If, aus dem niemand lebend entkommt, taucht überraschend ein Mithäftling in seiner Zelle auf, der sich beim Graben seines geplanten Fluchttunnels verrechnet hat. Als dieser ehemalige Priester stirbt, kann Dantès sich überraschend und unentdeckt an dessen Stelle in den Sack einnähen lassen, mit dem die Toten ins Meer geworfen werden und so entkommen.

Mit den Reichtümern versehen, deren Versteck ihm der verstorbene Priester noch verraten konnte, durchkreuzt er jetzt die kriminellen Machenschaften seiner seinerzeitigen Feinde sehr zu deren Überraschung – zu sicher fühlten diese sich in ihrem Gaunernetz gegenseitiger Abhängigkeiten. Man könnte dies als Rache deuten – oder aber als Wiederherstellung von Gerechtigkeit. Genau aus diesem Blickwinkel zitiere ich diesen Antihelden oft in Therapiesitzungen. Wenn jemand sich in auswegloser Situation gefangen fühlt und keine Zukunftsperspektive entwickeln mag, weil sie ihm oder ihr aussichtlos erscheint, erinnere ich oft: „Der Graf von Monte Christo hat 14 Jahre unschuldig im Gefängnis verharrt und nicht an ein Entkommen zu denken gewagt – aber er hat sich dennoch darauf vorbereitet!“

Auch wenn man an Intrigen zu verzweifeln droht, gilt es, sich aus dieser Situation „heraus“ zu entwickeln. Edmond Dantès kann vom Weltpriester Abbé Faria nicht nur wesentliche Bildung erwerben, sondern auch Kampfkünste lernen – in einer aussichtlosen Gefangenenlage – und braucht all diese Kenntnisse Jahre später, als er nach Paris zurückkehrt.

Wie äußerlich eingeschränkt wir auch werden – wir alle können immer viel für unser geistiges und seelisches Wachsumt tun, wenn wir auch nur unsere Sinneswahrnehmungen verfeinern, unseren Körper (inklusive Stimme) trainieren und unsere Phantasie vergrößern (aber auch kontrollieren!).