Wenn Europäer:innen eine semitische Sprache lernen sollen – so wie ich vor zehn Jahren im Theologiestudium Bibelhebräisch – besteht die Herausforderung weniger in der Schrift oder der anderen Schreibrichtung als in dem ganz anderen, aber durchaus logischen Sprachaufbau.

Ähnlich ist es in anderen Disziplinen. Herbert Pietschmann, emeritierter Univ. Prof. für Theoretische Physik, hat dies in seinem Buch „Energie“ (gemeinsam mit Erich Hamberger, Herder 2020) verdeutlicht: Neben der aus dem Physikunterricht bekannten Energie gibt es noch eine andere, humane – aber die ist mangels Fachsprache (er bietet dazu Sprachneuschöpfungen an) noch nicht Allgemeinbildungsgut – außer in den psychotherapeutischen Schulen der Reich’schen Körpertherapie und Bioenergetik, die, zwar nunmehr schon hundert Jahre alt, auch noch nicht unumstritten sind.

Menschen sind Gewohnheitstiere und lernen nicht gern um – vor allem deswegen, weil sie sich dumm fühlen, wenn jemand etwas Unbekanntes zur Nachahmung empfiehlt, und dies nicht mit den üblichen Werbespots angepriesen wird – und die fehlen eben in der „seriösen“ Wissenschaft. (Wissenschaftlichen „Popstars“, die sich redlich in den Medien um Erwachsenenbildung bemühen, wird von der Konkurrenz ja auch gleich die Seriosität abgesprochen.)

Mir warf unlängst eine Mutter, die sich redlich bemüht, ihr Vermögen „gerecht“ zwischen ihren konkurrierenden Söhnen aufzuteilen, als ich dazu einwarf „aus Ihrer Sicht“, empört an den Kopf „Aber Sie sind doch Juristin!“ – und ich musste ums Wort kämpfen, um zu erklären, dass ich aber auch Mediatorin bin und daher die Sicht der Anderen erfahren will, um zu wissen, welche geheimen Vor- und Nachteile den Familienfrieden verhindern. Rein rechnerische Aufteilungen berücksichtigen die nämlich nicht – und um diese intimen Vorbehalte sagbar zu machen, braucht es eine wertschätzende, deeskalierende und fried-fertigende Kommunikation ohne Empörung, ohne Dogmatismus und ohne Selbstgerechtigkeit. Mediation denkt komplex, d. h. mehrperspektivisch, und nicht nur linear wie die Juristerei.

Ähnliche Missverständnisse herrschen rund um die verschiedenen Beratungsangebote, Coaching oder Psychotherapie.

Direktive Beratung wie z. B. juristische, betriebswirtschaftliche, psychologische oder für Outfits und Medienauftritte etc. wird von Personen angeboten, die sich umfangreiche Erfahrung in diesen Bereichen erworben (oder auch nur angelesen) haben – daher sollte man sich die Biographie dieser Berater:innen genau ansehen. Viele Anbieter haben nur theoretisches Wissen, sich aber nie wie ein echter Coach „im Feld“ bewähren müssen – der Begriff stammt ja auch aus der Fußballwelt.

Direktiv bedeutet: strategisch ausgerichtet, ist daher sehr trainingsnah. Nondirektive Beratung hingegen ist bereits psychotherapienahe, vermeidet befehlsartige Formulierungen, geht auf das Seelenleben der Ratsuchenden ein und befleißigt sich einer speziellen Gesprächsführung, mittels der deren noch ungehobenes Potenzial entdeckt und entfaltet werden kann. Psychotherapien sind darüber hinaus Heilbehandlungen und umfassen je nach „Methode“ Techniken (vom griechischen techné, Kunst) zur Schaffung neuer „salutogeneser“ (Gesundheit fördernder) Nervenzellen bzw. Neurosignaturen und damit „Umgewichtung seelischer Kräfte“ im Sinne des „Werde Du selbst“ – und nicht, was sich deren Bezugspersonen wünschen oder „anschaffen“, und was vom Unbewussten durch Krankheit, Trägheit, Fehlverhalten, Unfälle oder was auch immer scheinbar „zufällig passiert“, verhindert wird. Wenn eine Psychotherapie gelingt (und nicht von Familienangehörigen hintertrieben wird, weshalb es sich bewährt, wenn auch diese bei Bedarf einbezogen werden können), werden die „Absolvent:innen“ reflektierter, selbst-bewusster, konfliktfähiger und sozialer (!), kreativer, mutiger, geduldiger, resilienter und lebensfreudiger; sie finden „ihren“ Weg und ertragen Rückschläge und Einschränkungen. Nicht mehr sind sie allerdings bereit, Manipulationen, Diskriminierungen, Ausbeutung und Tyrannei zu ertragen – sie halten dann nämlich zu sich selbst und nicht zu den jeweils Anderen.

Und: Wer diese Berufe seriös ausüben will, lässt sich regelmäßig von kritischen Supervisor:innen überprüfen, ob sich nicht eigene unbewusste Anteile kontraproduktiv eingeschlichen haben. Ich – Inhaberin aller dieser Lizenzen – mache das auch; immer noch. Für mich gehört das zur Berufsethik.