Die einen schmeißen Lebensmittel gegen Kunstwerke, die anderen kleben sich an Hauptstraßen fest – wie harmlos waren dagegen doch noch die „Spaziergänge“ der Impfgegner:innen. Aber sind dies alles richtige Wege, um politische Anliegen zu Gehör – oder besser Gesicht – zu bringen?

Die Argumentation von Lilly Schubert von der „Letzten Generation“ kann ich schon nachvollziehen („Letzte Generation“ nach Kartoffelbrei-Attacke: „Hören erst auf, wenn man uns einsperrt“ (t-online.de)) – aber friedfertigende Demonstrationen stelle ich mir anders vor: erstens durch Transport von konkreten Forderungen und zweitens – vorgelagert – durch die Beanspruchung von Anhörungsrechten bei Entscheidungsträger:innen.

Wenn man in die Geschichte blickt, hatten Widerständige nur die Möglichkeit im Massen zu gehen oder zu stürmen oder wie eine Mauer zu stehen. Alles andere – Sabotage, Zerstörungen, Vernichtungen – ist Gewalt: Es schädigt andere und im Endeffekt das gesamte Gemeinwesen, gesundheitlich, weil es die Sicherheit bedroht und Angst auslöst.

Mir ist noch gut in Erinnerung, wie ein junges Mädchen beim Sturm auf das Capitol, wie es Donald Trump „indirekt“ angeregt hatte, in die Fernsehkamera jubelte, sie mache jetzt Revolution. Das Abenteuer vor der Haustür. Und eine Gelegenheit, sich für und wider Elternfiguren aufzuspielen.

Genau deswegen gibt es ja auch die Paragrafen gegen Landfriedensbruch, kriminelle Vereinigungen oder schwere gemeinschaftliche Gewalt – wobei es immer davon abhängt, was man darunter verstehen mag, welche Lobbys dagegen vorgehen und wie die jeweilige Richterschaft entscheidet: Weil es nicht um „Action“ gehen sollte, sondern um wohlüberlegte Konzepte zur Verbesserung – oder Rettung – der Welt.

Wenn es aber im „Zeitalter des Narzissmus“ (Christopher Lasch) nur darum geht, in die Medien zu kommen, gibt es im Gegensatz zu der Zeit vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Fülle von Möglichkeiten – man muss nur kreativ sein wie die „Omas gegen rechts“ und einen zügigen Slogan und ein eklatantes Erkennungszeichen erfinden.

Reinhard Haller schreibt in „Die Macht der Kränkung“, dass Gegenaktionen immer etwas Prosoziales, Witziges enthalten sollten, um Symmetrie zwischen dem Vorherigen, das bekämpft würde, und dem Nachfolgenden, der Form der Reaktion, zu wahren (S. 203), denn dann würden sie von der Bevölkerung als gerecht empfunden (S. 236), auch wenn ein Schaden entstanden sei.

Deswegen bin ich für Flashmobs, Mahnwachen, Straßenkabaretts etc. denn nur so gewinnt man Sympathisanten, nicht indem man deren Sicherheitsgefühle und Identitäts-Werte (wie Kunst, auf die man stolz ist) zerstört.

Ich – heimatlose Linke und Überbleibsel aus den Kreisky-Jahren – wünsche mir eine breite Diskussion zu Abgrenzungen, besonders in einer Gegenwart, in der andauernd Grenzen (des Anstands, der Integrität, des Respekts etc.) überschritten werden – nicht nur aus Not (die viele nicht sehen wollen), sondern oft als Gegenmittel zu Unzufriedenheit.

Der erste Schritt dazu wäre ein regelmäßig geöffnetes Diskussionsforum (dafür wird sich doch z. B. ein aufgelassenes Kino oder ehemaliges Gasthaus oder leerstehendes Geschäftslokal finden?) mit präsenten Politiker:innen als themenkundige Gesprächspartner:innen für eine „mündige Bürgerschaft“ – die mitreden will, statt nur „ihre Stimme abzugeben“.