Im Biologieunterricht lernt man, dass es im Auge einen „Blinden Fleck“ gibt: Dort, wo der Sehnerv austritt, gibt es einen Gesichtsfeldausfall. In der Psychologie verwendet man den gleichen Ausdruck für die Bereiche, in denen die Eigenwahrnehmung versagt: Dort wo man über sich selbst entsetzt wäre. In der Psychoanalyse nach Freud (vor allem Anna Freud) spricht man von Abwehrmechanismen, für ähnliche Phänomene verwendet C. G. Jung den Begriff des „Schattens“.

Zu diesen abgewehrten Wahrnehmungen zählt auch die Erkenntnis, was es für Kinder bedeutet, von ihren Eltern getrennt zu werden: das wohl häufigste aber auch am stärksten tabuisierte Traumata. Kinder sollen brav sein, möglichst stumm und sich nicht wehren. Nicht wenn Mutter ins Spital muss, wenn Vater sich vertschüsst oder wenn sie irgendwo „abgegeben“ werden. Je „braver“ sie sind, desto verstummter. Der Widerstandsschrei bleibt dann innen.

Donald Trump etwa findet nichts dabei, ganz im Gegenteil, er lässt diese Praktik als Einschüchterungsmaßnahme für Eltern zu, die illegal einwandern. Ich sehe darin Psychofolter, und die ist laut der UN-Folterkonvention verboten – aber das wird weitgehend ignoriert. Auch bei uns – nur werden hierzulande Kindesabnahmen „rationalisiert“, d. h. mit vernünftigen „pädagogischen“ Gründen verteidigt (obwohl es bei familiären Missständen auch andere – sozialtherapeutische – Interventionsmethoden gäbe, aber die sind zeit- und daher kostenintensiver).

Zu der traditionellen Argumentation zählte beispielsweise in der Zeit der Gegenreformation die „Sorge um das Seelenheil der Kinder“: Damals wurden vor allem in Salzburg die Protestanten auf Betreiben der Jesuiten vertrieben – aber ihre Kinder mussten da bleiben und wurden „rekatholisiert“. Viele der Salzburger Bauern, die zwangsweise auswandern mussten, wurde in Preußen freudig aufgenommen – waren sie doch erfahrene Landwirte, und die konnte man dort dringend gut brauchen. Ich habe in meinem Theologiestudium Bilder zu sehen bekommen, auf denen dargestellt war, wie preußische Juden den ankommenden Salzburgern als ebenso Vertriebenen zum Willkommen entgegen zogen – eine Geste des Mitgefühls und der Solidarität. Wir lassen euch nicht allein.

Trump zielt aber nicht nur auf mexikanische Immigranten. In den Salzburger Nachrichten vom  13.08. steht, dass er im Bundesstaat Mississippi Geflügel-Fabriken filzen und dabei 700 illegal Beschäftigte festnehmen und bewusst von ihren Kindern trennen ließ. Ihren Arbeitgebern geschah nichts … ebenso wie den auf Trumps Golfplätzen illegal Beschäftigten, denen dadurch auch soziale Ansprüche verweigert werden, wogegen diese sich deshalb auch nicht wehren können. Nun frage ich mich: Ist es nur eine restriktive Einwanderungspolitik? Oder liegt es doch auch daran, dass Trumps Großeltern auch „Armutseinwanderer“ waren, nämlich aus Kallstadt in der Pfalz (und seine erste Frau Tschechin, die dritte Slowenin sind) und er daher seine Abstammung (und die seiner Kinder) löschen – eben in den Blinden Fleck verschieben – will?