Gut, dass Gewerkschaft und Ärztekammer auf die in einem „Forderungspapier der Wirtschaft“ angeregten Gesundheits-Überprüfungsrechte der Arbeitgeber (https://orf.at/stories/3147246/) sofort Bedenken geäußert haben. Denn wenn auch der dazu als Begründung angeführte Verdacht, es würde jemand „krank feiern“, gelegentlich zutreffen mag, so drängt sich doch die Erinnerung an die sogenannten „asozialen Frauen“ auf, die in der NS-Zeit vielfach im KZ gelandet sind, weil sie z. B. an einem heißen Sommertag lieber an die Alte Donau gegangen waren als „in die Arbeit“ (nachzulesen im Beitrag der Historikerin und Psychotherapeutin Gertrud Baumgartner in meinem Buch „Menschenjagd — Vom Recht auf Strafverfolgung“).

In der zitierten Meldung werden Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und sonstige Berufsunfähigkeit angeführt. Nun gibt es aber auch  Gesundheitsbeschädigungen, die durch Umstände am Arbeitsplatz hervorgerufen werden, und da meine ich nicht nur das neuerdings international als Krankheit anerkannte Burn-out durch Überforderungen (oder Bore-out durch Unterforderung) oder gezieltes Mobbing um – zwar korrekt agierende aber subjektiv störende – Arbeitskräfte (egal welcher Hierarchiestufe) los zu werden. Ich meine die Gesundheitsschäden, die durch toxische Interaktionen wie vom Arbeitgeber initiierte „Vorladungen zum Psychiater“ hervorgerufen werden.

Seit den späten 1980er Jahren beobachte ich ein Zunehmen dieser besonderen Art von Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Statt ein offenes Mitarbeitergespräch zu führen und eigene Ressentiments, objektive Verdachtsmomente oder Anschuldigungen zu klären (was zugegebenermaßen schwierig ist wenn man nicht von Wohlwollen erfüllt ist), wird die „auffällig gewordene“ Person zur „Klärung ihrer psychischen Befindlichkeit“ an das System Psychiatrie wegdelegiert (statt dass man die aktuelle eigene Befindlichkeit überprüft) und erlebt dort meist noch einmal das Gleiche (offenes Misstrauen anstatt einfühlsamer Achtsamkeit).

Der österreichisch-amerikanische Sozialphilosoph und katholische Priester Ivan Illich (1926–2002) beschrieb als erster das Phänomen der „iatrogenen“ — d. h. durch ärztliche Diagnosen wie auch Behandlungen entstandenen — Krankheiten (in „Die Nemesis der Medizin“). Die mentalen Einstellungen und die diese widerspiegelnde Sprache von Angehörigen von „Gesundheitsberufen“ hatte er dabei – noch – nicht im Sinn. Achtsamkeit war zu seinen Lebzeiten ja noch kein Thema – heute beginnen Schulungen dazu modern zu werden, und das aus gutem Grund. Meist sind solche mentale Gewalttäter aber kritikunverträglich was ihr eigenes Sozialverhalten betrifft (und betonen statt dessen ihre Wissenskompetenzen) und pflegen bei Protest gegen ihr respektloses Verhalten aggressiv oder noch demütigender zu reagieren, beides Versuche, den sozialen Abstand zu anderen zu vergrößern um sich diese damit vom Leibe zu halten.

Salutogenese (d. h. Gesundheitsförderung) sieht anders aus.