Sexuelle Gewalt gegen Frauen sei „keine rationale Tat“, war die Präsidentin der Richtervereinigung Sabine Matejka in der ZiB um 19.30 am 5. Februar zu hören, als sie das Regierungsvorhaben, die Strafen bei sogenannten Sexualdelikten zu erhöhen, kritisierte.

Mich bestätigt das nur wieder in meiner Kritik am mangelnden psychologischen Wissen etlicher Richter und Richterinnen, die noch immer den Mythos vom unbezwingbaren männlichen Sexualtrieb glauben. Dass Strafverteidiger solch kühne Behauptungen aufstellen, gehört zu ihren Berufstaktiken: Sie versuchen Meinungen, Werthaltungen und Urteile zu beeinflussen – und sie sind dort erfolgreich, wo Aufklärung fehlt. (Deswegen bin ich auch froh, die einzige psychologische Vorlesung für Juristen am Institut für Arbeits- und Sozialrecht halten zu dürfen.)

Wenn ein Mann (oder wer auch immer) sagt, „ich konnte mich nicht zurückhalten“, dann ist diese Aussage doppeldeutig: Sie kann entweder besagen, dass man die Fähigkeit nicht hatte (weil z. B. unter Drogeneinfluss), oder dass man die Methode nicht wusste. Bei den sogenannten Sexualdelikten sollte aber hinlänglich bekannt sein, dass diese Methoden gar nicht gewusst werden wollen. Das hat Ray Wyre (1951–2008) in seinen Forschungen aufgezeigt: Am Anfang steht ein „geistiges Bild“, eine Phantasie, und dann wird ein passendes „Objekt“ gesucht – von einem Einzelnen aber auch von Gruppen. Horden. Es geht immer nur darum, dieses eigene Wollen durchzusetzen. Und Wollen ist immer rational – nur eben manchmal bizarr, manchmal kriminell, manchmal krank etc. Wie wir es „kategorisieren“, das entscheiden wir – „die Gesellschaft“.

Energie – konstruktive wie destruktive – kann man „zurückspeisen“. Das weiß jeder Elektriker, es gehört zu seiner Kunstfertigkeit. Menschen – nicht nur männlichen – wird das analoge Können weder beigebracht noch zugetraut. Das gehört aber zur Primärprävention – verbunden mit dem Hinweis, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt.

Frau Matejka und Kollegenschaft argumentieren auch damit, dass Straferhöhung keine Straftaten verhindern würde, also keine stärkere Prävention bewirke. Das tut kaum eine Strafdrohung: Täter halten sich zumeist entweder für so schlau, dass man ihnen nichts würde nachweisen können, oder sie sich erfolgreich herausreden würden – oder aber dass man den Überlebenden nicht glauben würde. Und genau deswegen ist eine deutliche Ansage der Gesellschaft nötig: Es muss klar sein, dass die Gewalt an oder durch Genitalien (oder etwas, das sie ersetzt) den tiefsten Kern der leibseelischgeistigen Persönlichkeit verdinglicht, verletzt oder gar vernichtet, und dass daher diese Strafen „gegen Leib und Leben“ deutlich höher sein müssen als die gegen „Dinge“.

Frau Matejka irrt auch, wenn sie meint, „dass keine Strafe, egal wie hoch, das Leid der Opfer lindert“. Doch – das tut sie. Denn der Strafausspruch bedeutet auch Anerkennung des Leids durch die Gesellschaft, repräsentiert durch Staatsbeamte – allerdings erst, wenn das Opfer in der von mir so bezeichneten Rachephase der Traumabewältigung ist, vorher sind die vitalen Kräfte noch zu sehr ans „nur Überleben!“ gebunden. Es ist ein Teilbereich von Rehabilitation.

Und noch etwas: Ich begrüße ausdrücklich, dass diese Innovationsaufgabe der Staatssekretärin im Innenministerium – unbesehen ihrer hohen Qualifikation als langjährige Strafrichterin und Menschenrechtsexpertin – anvertraut wurde: Ich sehe darin erstmals solch eine Synergie, wie ich sie 2010 ressortübergreifend als „Bündnis gegen Gewalt“ konzipiert hatte. Damals waren die Konkurrenzen zwischen manchen Ministerien noch zu groß – oder die Ratio noch nicht groß genug.