Im heutigen Pressedienst der Evangelischen Kirche für Österreichs lese ich den Protest des niederösterreichischen Superintendenten (entspricht protokollarisch dem katholischen Diözesanbischof) Mag. Lars Müller-Marienburg zu den Worten des gestern als FPÖ-Landesrat neu angelobten Gottfried Waldhäusl, wonach dieser zu dem Ansinnen einen Gefängnisstandort im niederösterreichischen Waldviertel zu errichten, gesagt habe: „Jetzt soll der Abschaum zu uns abgeschoben werden? Das bringt keinerlei Wertschöpfung für die Region!“

Zur Meinungsfreiheit gehört wohl, sich – noch dazu als Regionalpolitiker – gegen unerwünschte Bauvorhaben aussprechen zu können, dürfen, sollen, müssen … je nachdem was die Bevölkerung von ihm als ihre Vertretung wünscht. Das wäre eine Gelegenheit für eine regionale Volksbefragung. Allerdings müsste vorher geklärt werden, wie weit „Region“ definiert werden soll – und: Es müsste auch ausführlich geklärt werden, wer alles und wie leicht in Haft gerät.

Niemand ist von vornherein „Abschaum“. Die Gesellschaft „schäumt“ – und dann „schäumt“ sie „ab“. Früher hat man unerwünschte Personen verbannt oder, wenn sie nicht freiwillig gingen oder das zu erwarten war, für vogelfrei erklärt. Das ist auch Martin Luther so geschehen – nur haben ihn Freunde seines Landesfürsten rechtzeitig entführt und auf der Wartburg versteckt, wo er dann bekanntlich die Bibel ins Deutsche übersetzt und damit aus dem Geheimwissen ein Allgemeingut gemacht hat. Ohne hier die Persönlichkeiten vergleichen zu wollen, möchte ich doch daran erinnern, das erst vor einer Woche ein ehemaliger FPÖ-Spitzenfunktionär zu unbedingter Haftstrafe verurteilt wurde – und den wird Herr Waldhäusl doch nicht als Abschaum bezeichnen wollen?

Auch andere Spitzenpolitiker sind schon im Gefängnis gesessen, sogar ehemalige Innenminister wie Franz Olah, aber deswegen sind sie kein Abschaum. Sie haben Grenzen nicht gewahrt – oder auch nicht wahrgenommen. (Was auch „#me too“ zeigt!) Vieles, was früher als geschickter Umgang mit Geldern bewundert oder auch beneidet wurde, wird heute strafrechtlich nicht mehr toleriert, und das ist auch gut so.

Es ist das Verhalten, das kritisiert und geahndet gehört, aber nie die Person, die ja veränderungsfähig ist. Wenn man sie als veränderungsunwillig definiert, treibt man sie geradezu in die „selbsterfüllende Prophezeiung“. Menschen zu unterstützen, ihr Verhalten zu verbessern, ist eine der schwierigsten Aufgaben, ehrenamtlich wie auch beruflich. (Das betrifft auch die Politikersprache!) Aber es lohnt sich. Es lohnt sich deshalb, weil es das leibseelischgeistige Wachstum und die zwischenmenschlichen Beziehungen fördert – aber leider kennen viele Menschen dieses Glücksgefühl von positiver Weiterentwicklung gar nicht.

Waldhäusl irrt aber auch, wenn er „keinerlei Wertschöpfung für die Region“ bekrittelt: Er vergisst die Arbeitsplätze – zuerst am Bau, dann in der Betreuung Verwaltung, Verpflegung, und er vergisst auch die dazu gehörigen Produkte.