In einer US-Schule dürfen zwar die Harry-Potter-Bände in der Bibliothek bleiben – aber die Jugendlichen dürfen sie nicht mehr lesen. Diesen Rat hat ein Exorzist der katholischen Schule St. Edwards im Bundesstaat Tennessee gegeben, las ich in den Salzburger Nachrichten, denn: Die in den Büchern gebräuchlichen Flüche und Zaubersprüche sind tatsächlich Flüche und Zaubersprüche; werden sie von einem Menschen gelesen, besteht die Gefahr, dass sie böse Geister in der Umgebung desjenigen heraufbeschwören, der den Text liest.“ (4. September, Seite 6).
Diesen „bösen Geist“ haben sie offensichtlich bei dem Exorzisten hervorgerufen – wie sonst käme er zu der Vermutung? Empirische Studie wird er wohl keine gemacht haben … und die meisten Menschen neigen dazu, alle Erscheinungsformen des Lebens mit ihrer eigenen biographischen Erfahrung zu vergleichen und zu bewerten (außer sie sind durch jahrelange psychoanalytische Selbsterfahrung darauf trainiert, die üblicherweise unbewussten Reaktion synchron wahrzunehmen und kritisch auf ihren Vorurteilsgehalt zu überprüfen).
Es ist der Sinn und die Kraft, die einem – wohlformulierten! – Wort Zauberkraft verleiht. Im interpersonellen Gebrauch sprechen wir in der heutigen „Wissenschaftsgesellschaft“ von Suggestion, im intrapersonalen hingegen von Autosuggestion; sie können Fluch-Charakter haben – aber ebenso Segenswirkung. Es kommt eben auf Sinn und Zweck an. Die Fern-Wirkung gedachter oder gesprochener Worte jedoch sind gelegentlich Forschungsgegenstand: So finden sich manchmal mutige Psychiater oder Neurologen, die sich in die Grenzbereiche menschlichen Verhaltens hineinwagen und in breit angelegten Studien die Wirkung von Heilungsgebeten überprüfen. Der Kardiologe und ehemalige Harvard-Professor Herbert Benson (* 1935) etwa beschreibt in seinem Buch „Heilung durch Glauben“ die Beschleunigung von Heilungsprozessen, wenn Menschen für andere, aber auch für sich selbst beten. Er erklärt dies dadurch, dass mit der Zuwendung an eine „höhere Instanz“ eine Entspannungsreaktion eintritt, durch die Selbstheilungskräfte frei gesetzt werden (die vorher durch Anspannung und Angst-Verkrampfungen blockiert waren).
Demgegenüber forschte etwa der Schweizer Jungianische Psychoanalytiker Gary Bruno Schmid unter anderem auch zum „Geheimnis psychogener Todesfälle“ wie Voodoo-Tod, Tabu-Tod, Heimweh-Tod oder Seelen-Tod. Dass dies alles mit Sehnsucht, Liebe wie umgekehrt Verstoßung und Hass zu tun hat, wird nachvollziehbar, wenn man daran denkt, wie lange es oft braucht, massive Aggression – und sei sie auch nur in Postings verpackt – zu verarbeiten und „aus-zu-drücken“.
Deswegen schreibe ich ja gegen die vielen „Zaubersprüche“, mit denen verantwortungslose Familienangehörige, Partner, Kollegen oder Vorgesetzte andere verletzen oder gar, wie jetzt im Wahlkampf, sozial vernichten wollen.