Wenn man etwas verbockt hat, gebietet es die Redlichkeit, dazu zu stehen; ob man dann erläuternde (da steckt das Wort „lauter“ s. lauter – Schreibung, Definition, Bedeutung, Etymologie, Synonyme, Beispiele | DWDS drin) Erklärungen dazu abgeben will, ist eine höchstpersönliche Entscheidung. Vermutlich würde so etwas als Versuch einer Rechtfertigung bzw. Entschuldigung interpretiert und nicht, wie ich deute, als Bemühen um eigene seelische Reinigung.

Nun wird man sehen, wie Christine Aschbacher, Ministerin für Arbeit, Familie und Jugend, mit den jüngst erhobenen Plagiats- und Undeutsch-Vorwürfen (Plagiatsvorwurf: Aschbacher unter Beschuss | DiePresse.com) reagieren wird, die ja nicht nur sie sondern auch die betroffene Fachhochschule Wr. Neustadt und Universität Bratislava betreffen. Aber: Sie zeigen eine Problematik auf, die ich unter die Überbegriffe Wohlwollen bzw. Übelwollen einreihe.

Beispiel 1: Als ich die große profil-Untersuchung zum Sexualverhalten der Österreicher, die als Buch unter dem Titel „Land der Sinne“ (Orac 1991) veröffentlicht wurde, sexualwissenschaftlich begleitete, wies ich die eine der beiden AutorInnen bei einer von ihr geschriebenen Passage darauf hin, dass sie wortwörtlich mit einem Buchtext übereinstimmte und daher besser umformuliert werden sollte, was sie auch tat. Einige Zeit später sah ich, dass der Text wieder „original“ war und forschte nach. Heraus kam, dass die umformulierte Passage dem Koautor nicht gefallen hatte, er sie daher nach eigenem Sprachgeschmack umtextete – und potzblitz! damit wieder unwissentlich den Quellentext wiedergegeben hatte.

Beispiel 2: Als ich mein Buch „Ich will wissen – Lust und Lernen“ (Löcker Verlag 1998) gestaltete, bat ich einen renommierten Universitätsprofessor (und wie ich Psychotherapeuten) um einen Beitrag und bekam ein total undeutsches und wirres  Manuskript, allerdings mit dem Hinweis „nach Diktat verreist“. Da ich mit der Herausgabe des Sammelbandes unter Zeitdruck stand, gestattete ich mir, den Text wohlwollend und dem erkennbaren Sinn gemäß in wissenschaftlich korrektes Deutsch zu „lektorieren“ (sein Original habe ich aber sicherheitshalber aufgehoben).

Beispiel 3: Es hat sich leider unter Studierenden (oder auch z. B. wissenschaftlichen MitarbeiterInnen) die Unsitte eingelebt, aus Büchern, Zeitungsartikeln oder Wikipedia Textpassagen digital auszuschneiden und aneinander zu reihen – und sich manchmal nicht einmal die Mühe zu machen, die Schriftgrade aneinander anzupassen, quasi mit der Botschaft „Professor/in“ oder „Chef/in“, „Wenn’s dich stört, sorge du für einheitliche Schrift-Schönheit!“ Und nicht immer überprüfen die Entscheidungspflichtigen selbst, sondern delegieren diese Arbeit an eben solch „lässige“ MitarbeiterInnen.

Beispiel 4: Ich weiß von etlichen KlientInnen, wer aller sich von wem und auf welche Weise zwecks Erlangung wissenschaftlicher Würden „helfen“ ließ – und ich habe auch erlebt, zu welchen Kampfmaßnahmen manche Studierende greifen, wenn aufmerksame Prüfende ihnen nachzuweisen versuchen, dass sie ihre Statistiken nicht selbst erarbeitet oder überhaupt einen Ghostwriter engagiert haben. Genau deswegen gibt es die Lehrveranstaltungen „Wissenschaftliches Arbeiten“, damit wenigstens die formalen Spielregeln eingehalten werden – von den Studierenden. Aber auch umgekehrt wäre dies wichtig: So wurde mir – Dr. der Rechtswissenschaften – dieses Studium im Theologiestudium für das Fach „Religionsrecht“ nicht angerechnet, einer Kollegin, „nur“ Magistra, ein Jahr später hingegen schon. Als ich den dafür zuständigen Studienleiter darauf hin ansprach, meinte er nur: „Ich bin halt jetzt gütiger!“ (Oder die jüngere Frau hat ihm besser gefallen …)

Zu viel emotionale Güte (nicht nur gegenüber der Studentenschaft, die ja was lernen soll, sondern auch zu sich selbst als Führungspersönlichkeit) kann eben auch zu Lasten der sachlichen Güte gehen. Daher sollte in allen „hohen“ Schulen a priori Plagiatssoftware benutzt und damit auch ein kritischer Beitrag zu Konfliktkultur UND mehr Wertschätzung von geistigem Eigentum geleistet werden.