Spät aber doch – weil wieder terminisiert am Buch-Schreiben – möchte ich doch zum heutigen Tag der seelischen Gesundheit ein paar kritische Anmerkungen machen.

In den mir zugänglichen Tageszeitungen – die Salzburger Nachrichten liefert mir die Post noch immer nicht! Und das seit gut vier Wochen! – fand dieses wichtige Thema aktuell wenig Aufmerksamkeit – obwohl die jahrelange Mühe um einen Kassengesamtvertrag (und nicht nur Bundesländer-Kassenverträge) für voll ausgebildete Psychotherapeut:innen (und nicht nur für andere Psychoberufler:innen mit kurzen Zusatzausbildungen) dringend permanent thematisiert gehörte.

Hier wäre Transparenz der Verhandlungen dringend erforderlich!

Nur die wachsende Zahl seelischer Belastungen zum Thema zu machen, ist zwar theoretisch hilfreich gegen die Diskriminierung seelischer Störungen und Krankheiten – aber solange diese unter dem Schlagwort „Resilienz (seelische Widerstandskraft) trainieren“ indirekt als Mangel bzw. Schwäche „gerahmt“ und die gefühlsarmen „Härtlinge“ als Zielbild vorgegeben werden, ist es die Gesellschaft, die krank macht (oder auch ist).

Sigmund Freud definierte seelische Gesundheit als Arbeits- und Liebesfähigkeit – aber dies ist keine Einbahnstraße. Es braucht dazu immer auch ein faires Gegenüber.

Dass Nicht-ernst-Nehmen, Verweigerung von Wertschätzung, mangelnde Kooperation, Ungerechtigkeit, überhohe Anforderungen – da denke ich an die Pandemie-Bewältigung – ohne (sozial)partnerschaftlich vereinbarte und kontrollierte Kompensationsmöglichkeiten für diejenigen, die es sich nicht „richten“ können, kränkt und krank macht, sollte eigentlich spätestens seit den permanenten Hinweisen Erwin Ringels (1921–1994) bekannt sein.

Ich verstehe, dass Ärzt:innen Arbeitsverweigerung erwägen bzw. bereits praktizieren, weil ihre Honorare für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, d. h. Nachsehen, ob alles OK ist und allenfalls weitere Maßnahmen in die Wege zu leiten, seit vielen Jahren nicht erhöht wurden; sie rechnen vermutlich aber auch mit einem politisch schmerzhaften Aufstand, wenn die werdenden Eltern ohne Eintragungen um die finanziellen Unterstützungen umfallen – und übersehener medizinischer Bedarf bei Säuglingen und Kleinkindern aufzeigt, wie wichtig diese Untersuchungen sind.

Psychotherapie beansprucht zwischen 45 und 60 Minuten und kostet in etwa so viel wie zehn Minuten Konsultation in einer Facharztpraxis. Sie besteht in der schwierigen Aufgabe, sich so tief einzufühlen in eine leidende Person, dass man in hilfreiche UND wahre Worte kleiden kann, wofür dieser die Worte unwillentlich „im Hals stecken bleiben“ oder überhaupt fehlen – oder auch der Mut, das Unsagbare auszusprechen.

Die meisten Psychotherapien bedeuten, allein durch Worte zu fördern, dass sich im Gehirn neue Nervenverbindungen verknüpfen oder alte „überschrieben“ werden, weil einst unterdrückte Gefühle die Wahr-Nehmung getrübt haben oder auch, weil diese grausam verboten wurden. Manchmal denke ich: Genau deswegen wird diese Seelen-Rehabilitation so stiefmütterlich behandelt – weil sie Menschen ermächtig, ihr Gefühl für die eigene Wahrheit wiederzuerlangen – und dann würden sie diese vermutlich erkennen und rufen: „Der Kaiser ist ja nackt!“