„Hartinger wurde entmachtet“, „Kurz pfiff die Sozialministerin rasch zurück“, „Hartinger-Klein bekam von der türkis-blauen Führungsriege die Leviten gelesen“ – diese Formulierungen verwendet „KKN“ (warum keine Namensnennung?) am 11.01. auf Seite 3 im Kurier zu Gesundheits- und Sozialministerin, die ihre Positionen zur Notstandshilfe (kein Rückgriff auf Vermögen von Langzeitarbeitslosen) konkret benennt – anstatt in ihren Aussagen vage zu bleiben, wie es Kanzler und Vizekanzler von Journalisten laufend vorgeworfen wird.

Als ich das las, war ich entsetzt: Einen Hund „pfeift man zurück“ – und nicht einen Menschen! Hätte nicht das gewaltverzichtende Wort „korrigiert“ genügt? Und was heißt „bekam die Leviten gelesen“ – eine hochqualifizierte Fachfrau ist ja kein Schulkind, dem man eine Strafpredigt hält! Hätte nicht die gewaltverzichtende Formulierung „kritisiert“ gereicht? Und was soll die Abwertung, sie „tingelte durch mehrere Medien, um ihre ursprüngliche Version [-] erneut zu trommeln“? Hätte nicht die Formulierung „gab sie mehrere Interviews“ besser gepasst?

Das Wort „Vermögen“ besitzt Doppelsinn: Im Materiellen bezeichnet es Besitz – Erspartes, Ersammeltes (z. B. Briefmarken), Schmuck, Wertpapiere, Immobilien etc. Luxusautos. „Alte Kisten“ sicher nicht – aber die sind oft die Voraussetzung, dass jemand einen Job bekommt.

Im konkreten Fall vermisse ich eine Auflistung, an welche Qualität und Quantität gedacht ist, wenn von Vermögen gesprochen wird – vor allem aber, wer nach welchen Kriterien im Einzelfall über Rückgriffsrechte entscheiden soll.

Warum fragt da kein Journalist nach? Weil das logischerweise erst auf Beamtenebene durchgearbeitet werden muss. Denn „am Land“ bauen ganze Familien gemeinsam und eigenhändig Häuser (und verschulden sich, was zur körperlichen noch psychische Belastung aufhalst!), und Autos braucht man zur Mobilität (die „Freizügigkeit der Person“ ist bekanntlich ein Menschenrecht) – mit dem Leiterwagerl marschiert es sich nicht so leicht zum Supermarkt am Rand kleinerer Ansiedlungen (so eines hat auch kaum jemand mehr). Ich erinnere mich an eine Klientin, alleinerziehende Mutter dreier Kleinkinder, zwei davon behindert, und gelernte Schneiderin, der die Sozialbeamtin Druck machte, sie solle ihre Profi-Nähmaschine versetzen oder verkaufen um – ich weise darauf hin: vorübergehend! (das beachtete die Beamtin nämlich nicht) – Geld zur Verfügung zu haben. Dass sie damit aus geschenkten Kleidungsstücken das Gewand für ihre Familie schneiderte und damit wesentlich mehr Geld ersparte und vielleicht auch Gewerbebetrieben zuarbeiten könnte, wenn man sie bei der Suche nach solchen Kooperationen unterstützt hätte, lag nicht im Denkhorizont der Beamtin. Statt dessen mokierte sie sich darüber, wie geschmackvoll die Frau angezogen war …

Im Ideellen bezeichnet Vermögen aber funktionelle oder geistige Macht – beispielsweise den Mut, eine Stellungnahme gewaltverzichtend auszudrücken und zu verteidigen. Nicht gleich umzufallen, wenn es Differenzen gibt. KKN würde dies wahrscheinlich auf „Streit“ vergröbern … aber Streit ist Geschrei, sachliche Beharrlichkeit hingegen ist meist ein Ansatzpunkt für konstruktive Auseinandersetzungen, Endergebnis nicht absehbar.

In der Psychoanalyse sprechen wir von einem Parallelprozess, wenn das Thema einer Bearbeitung sich gleichzeitig zwischen den Bearbeiteten abspielt. Löste also der Gedanke des „Rückgriffs aufs Vermögen“, materiell gemeint, bei KKN vielleicht den Impuls des Rückgriffs auf das leibseelische Vermögen der Ministerin aus? (Und besonders tiefenpsychologisch gedeutet: Hat das vielleicht gar etwas damit zu tun, dass Hartinger-Klein eine Frau ist? Und steckt da möglicherweise ein Konkurrenzkampf um „Potenz“ bzw. „Prä-Potenz“ dahinter?)