Meghan Markle hat einen Abortus erlitten und trauert – mit ihrem Mann an ihrer Seite, und sie schreibt darüber. Sie schreibt, dass es ihr helfe, wenn Menschen fragen „wie es einem von uns geht, und wenn sie wirklich mit offenem Herzen und offenem Verstand auf die Antwort hören.“ (Salzburger Nachrichten, 26.11.2020, Seite 16).

Wer liebt, trauert – besonders dann, wenn freudig etwas erwartet wird. Etwa ein Kind. Das bedeutet ja auch Advent: Warten, dass „es“ naht. Ankommt.

Das Wesentliche in dem Bericht, aus dem ich zitiere, ist die Betonung des schweigenden Zuhörens. Ich weiß von vielen meiner Klientinnen, wie sehr es sie verstört hat, wenn sie mit versuchten Trostworten „zugedeckt“ wurden. So erzählte mir eine Klientin, wie ihre Schwiegermutter ins Spital kam, ihr kurz den Kopf tätschelte und „Das wird schon wieder“ sagte und dann von ihren eigenen Befindlichkeiten zu reden begann. Ich erinnere mich auch daran, wie mir der diensthabende Arzt, als ich nach meinem ersten Abortus im Spital lag – in einem Dreibettzimmer mit zwei Frauen, denen die Gebärmutter entfernt worden war – ohne vorheriges Gespräch als erstes sagte, „Seien Sie froh – Sie haben schon zwei Kinder, andere haben gar keine!“ Gottlob kam kurz darauf mein Gynäkologe, und der sagt nur leise „Es tut mir leid!“ und ich spürte, dass das wahr war. Er konnte mit Leiden umgehen – er hielt es aus, mit mir solidarisch zu sein.

Ich werde oft gefragt, „Was sagt man?“, wenn es um die Begegnung mit Menschen geht, die einen Verlust zu betrauern haben. Ich antworte dann immer „Nichts!“ und „Nur zuhören und den Schmerz mitfühlen und aushalten“. Dann folgt meist die Frage: „Wie tut man das?“, und ich antworte: „Langsam atmen, damit sich das Herz weitet und Raum entsteht, in den die andere Person ihr Leid hineinatmen kann.“ Sprechen – geformte Atemluft – ist meist gar nicht notwendig. Man spürt, was der trauernde Mensch fühlt, wenn man ihm ein „offenes Herz“ entgegenbringt – aber das braucht eben mehr Zeit als ein schnell dahin gesagtes Trostwort, mit dem man eine „soziale Pflicht“ erfüllt.

Gefühle sind ansteckend. Trauer ebenso wie Heiterkeit oder Zorn. Seit der Entdeckung der sogenannten Spiegelnervenzellen kann man diesen Verlauf dank der Computertechnik naturwissenschaftlich, d. h. mit Hilfe bildgebender Verfahren, dokumentieren und nicht mehr so leicht als Fehlverhalten oder gar Phantasietätigkeit abstreiten. Und genau deswegen wehren so viele Menschen Trauer ab – weil sie unbewusst befürchten, dass ihre eigenen verschütteten Trauergefühle hochkommen könnten und sie dann weinen würden. Deswegen drohen ja so viele, wenn ein kleines Kind herzzerreißend weint, „Wenn du nicht sofort aufhörst, kriegst‘ a Watsch‘n, damit du weißt, weshalb du weinst!“ Sie geben auf diese Weise unbesonnen die Worte wieder, mit denen sie einst gleichsam „weggestoßen“ wurden, um nicht „anzustecken“.

So wird Lüge geboren.

Wahrheit hingegen ist:
Was traurig ist, ist traurig und darf, muss sogar betrauert – ausgetrauert – werden.