Ein Kinderchor, sichtlich lustvoll dirigiert – von wem? vom Schöpfer des Liedes? Bitte ein diesbezügliches Outing! – ist auf der Facebook-Seite des WDR mit einem „frechen“ Lied zu hören, Beginn „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Das sind tausend Liter Super jeden Monat. Meine Oma ist ne alte Umweltsau.“ (https://www.oe24.at/welt/Meine-Oma-ist-ne-alte-Umweltsau/411087229) und es folgt ein Shitstorm … sogar das ehemalige enfant terrible unter den österreichischen Nationalratsabgeordneten (erst Team Stronach, dann ÖVP, dann „wild“ = ohne Klubzugehörigkeit), Internist Dr. med. Marcus Franz meldet sich mit der „Diagnose“ „linkgrüner Dreck“ und „Kindesmissbrauch“ zu Wort – und der Sender entfernt das Video. Auch bei meinen Mitarbeitern im Team ist dieser Song nicht gut, nämlich als ageistisch (analog sexistisch oder rassistisch) angekommen.

Bei mir nicht.

Auch wenn ich keine Freundin des deutschen Holzhammerhumors bin, finde ich das Lied als Protestsong geeignet, denn aus meiner Sicht diskriminiert es nicht Menschen sondern Verhalten. Und das finde ich gut so.

Nicht gut finde ich, wenn man sich ohne viel nachzudenken sofort in Empörung d. h. Angriff hineinsteigert – oder in Angst d. h. Flucht (wie der WDR) anstatt mit Erklärungen und Argumenten Stellung zu beziehen.

Ich erinnere mich an die Zeit, als ich Haus- und Projektleiterin im Verein Jugendzentren der Stadt Wien war (1977–1986). Damals gestalteten Kolleg*innen in der Donaustadt ein „Müll-Museum“ mit all den brauchbaren Dingen, die ihre Eltern in den Müll geworfen hatten – und die waren auch sofort empört. Wer mag es schon, wenn einem ein Spiegel vorgehalten wird und man darin Seiten von sich erblickt, die wenig applausträchtig sind?

Ich denke, der Tabubruch besteht darin, dass das – doch wohl eindeutig erkennbar absurde – Verhalten der Ikone „Oma“ zugeschrieben wird, denn meist gelten Omas als die stets in Warteposition erreichbare Zufluchtspersonen in der Familie, wenn Kinder sich von den Eltern oder sonst wem nicht verstanden und einsam fühlen … vorausgesetzt, die Omas wohnen in günstiger Nähe. Dieses Oma-„Bild“ war in meiner Kinderzeit (1940er Jahre!) noch gang und gäbe, damals, als eine ganze Männer-, d.h. Vätergeneration „weg“ war, die Mütter (meist zwischen 30 und 40 Jahren alt) daher die Familien erhalten mussten (und nicht als „Alleinerzieherinnen“ „bewertet“ wurden) und die Omas (meist zwischen 55 und 65 Jahren alt) wo nötig einsprangen. Die klassische Oma der Kinder- und Schulbücher saß strickend hinter dem Ofen oder las den Kindern Märchen vor. So eine passt nicht in das Umweltsau-Bild des Protestliedes, denn sie musste sparen, kaufte daher regional, oft direkt beim Bauern, ging zu Fuß oder fuhr Fahrrad, Auto-fahrende Frauen waren noch in den 1960er eine Seltenheit!, Fliegen sowieso, und Plastik war ebenso unbekannt wie all die elektronischen Energiefresser.

Heute stehen viele „Omas“ noch voll im Beruf oder Ehrenamt und können dies vor allem wegen der (nun zunehmend in Frage gestellten) technischen Hilfen – und Alternativen müssen erst wieder bedacht, gefunden oder auch erfunden werden – außer man will Frauen wieder subtil zu Haushalts(be)dienerinnen umfunktionieren … Und genau da stellt sich die Frage nach den Opas: Wenn man die kritisierten Verhaltensweisen nach Geschlechtern kritisiert (und die höhere Lebenserwartung von Frauen mal außer Acht lässt), stößt man auf das unterschwellig wirksame Diktat, wie sich eine Frau im Großmutteralter zu verhalten hat …

Die Melodie des Protestsongs ist übrigens von „Wir versaufen unsrer Oma ihr klein Häuschen“ geklaut (https://www.youtube.com/watch?v=-crxJtV3a-Q) – deswegen wohl die Oma-Assoziation – und genau diesem tatsächlich ageistischem und sexistischem Lied würde die Empörung wohl eher gebühren!