Minister Sebastian Kurz hat die niedrigeren Strafen bei Gewalt- im Vergleich zu Vermögensdelikten kritisiert und wurde sofort von Bundeskanzler Christian Kern zur Besonnenheit aufgefordert.

Offensichtlich weiß Kern nicht, dass diese Forderung, körperlich-seelisch-geistige Unversehrtheit müsse das größere Schutzgut sein als Besitz und Eigentum, eine langjährige Forderung von SPÖ-Frauen ist, noch aus der Zeit, als ich dort Mandatarin war und mich auch dafür eingesetzt habe (das war ich 1973–1987). Ein Grund, weswegen ich nach 3 Landtags- und Bezirkswahlperioden nicht mehr kandidieren wollte, lag darin, dass es mich anwiderte, aus Parteidisziplin gegen gescheite Forderungen anderer Parteien stimmen zu sollen, nur um denen keinen Erfolg zu gönnen. (Ich hatte mich soeben vertippt und statt „Wahlperioden“ „Qalperioden“ geschrieben, zwar ohne das zum q gehörende u, aber doch tiefenpsychologisch sehr bedeutsam!) Die immer wieder folgenden „Retourkutschen“, die ÖVP-Justizminister hätten das schon lange verwirklichen können, widern mich an – denn auch die SPÖ-JustizministerInnen hätten das tun können, die jeweiligen Bundeskanzler hätten das betreiben können, in etlichen Koalitionsvereinbarungen wäre Platz dafür gewesen … Ich habe selbst genug oft erlebt, wie Johanna Dohnal oder Barbara Prammer genau das moniert haben, aber das war nicht in aufsehensträchtigen Wahlkämpfen, sondern in der ganz gewöhnlichen trivialen politischen Alltagsarbeit, daher ging es unter.

Ich weiß aus meiner täglichen Berufsarbeit als Psychotherapeutin und Seelsorgerin, wie wenig die Bevölkerung über die mit freiem Auge unsichtbaren Folgen von Gewalt weiß … es besteht ja auch erst seit rund zwanzig Jahren die Möglichkeit bildgebender Verfahren, mit denen die computergestützte Gehirnforschung dies aufzeigen kann (nachzulesen z. B. in Joachim Bauers Buch „Schmerzgrenze“). Aber immerhin weiß man heute bereits, welche psychischen Folgen Wohnungs-Einbrüche verursachen. Als ich Jus studierte (1962–1966), wusste man selbst das noch nicht.

Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie sehr ich mich abmühen musste, um Nationalratsabgeordnete (männlich) zu überzeugen, wie notwendig es wäre, mehr Bewusstsein über die Gesundheitsschäden sexueller Übergriffe zu verbreiten. „Das wird schon nicht so arg sein“ lautete ein immer wieder vorgebrachter Kommentar, und „Man kann doch nicht gleich alle Männer kriminalisieren, nur weil die halt ein bisserl Spaß haben wollen!“ (Einiges davon habe ich in meinem Buch „Tabuthema kindliche Erotik“, LIT-Verlag Berlin 2014 – das übrigens medial totgeschwiegen wurde – aufgezeigt.)

Aus meiner Sicht liegt es nicht bloß an der augenblicklich gehäuften medialen Berichterstattung über sexualisierte wie auch triviale Gewalt gegen Frauen und Kinder, dass zumindest ein Regierungsmitglied gewaltsensibel reagiert hat, und schon gar nicht am Wahlkampf (dazu polarisiert das Gewalt-gegen-Schwächere-Thema leider immer noch zu sehr), sondern an dessen Generation, der der heute dreißigjährigen sozial gut gebildeten Männer: Sie sind von Müttern / Lehrerinnen erzogen worden, die Töchter meiner Generation sind. Sie reagieren nicht wie die meisten fünfzigjährigen und älteren Männer, die noch zu hegemonialem Anspruchsdenken erzogen wurden. Von denen melden sich allerdings immer wieder welche bei mir dann, wenn diese Formen von Gewalt ihre eigenen Töchter betreffen – vorher fällt es ihnen „gewohnheitsmäßig“ nicht auf, schon gar nicht in Bezug auf die Frauen der Vorgenerationen.