Es gibt wenige Menschen, die nicht der Meinung sind, „ihnen könnte so was nie passieren“ – beispielsweise zum Mörder, zur Mörderin zu werden.

Vor Gericht heißt das dann „Ich kann mir nicht erklären, wieso mir das passiert ist …“.

Diese passive Sprachform zeigt dann, dass das eigene Verhalten als „Ich-fremd“ erlebt wird.

Im Mittelalter war man der Meinung, ein Dämon wäre in einen eingefahren oder man wäre verhext worden – und meist richtete sich gleich ein Verdacht auf irgend einen Sündenbock bzw. eine Sündenziege, irgendjemand, für den oder die man ohnedies insgeheim feindliche Gefühle hegte, die man aber von sich weg auf diese Person verschob. Manchmal tauchen dann aber doch Schuldgefühle auf. Wir Angehörige seelsorgerischer Berufe kennen das – und wir wissen, wie wichtig es ist, denjenigen, die dazu bereit sind, die Qual der Reue auf sich zu nehmen, beizustehen – und wie anstrengend.

Niemand von uns ist sicher, dass man nicht einmal „außer sich“ gerät. „Die Fassung verliert“. Deswegen bin ich so gegen die Verwendung der Zuschreibung „psychischer Probleme“: Man kann jeden Menschen „bis auf’s Blut reizen“, nur die Zeitdauer variiert je nach (anerzogener) Aggressionshemmung. Es gibt „heiße“ und „kalte“ Aggression: Die „heiße“ explodiert spontan, wenn die „Schmerzgrenze“ (so der Titel des einschlägigen Buches des Neuropsychiaters Joachim Bauer) überschritten wird, und das geschieht meist dann, wenn der Selbstwert, die Selbstachtung einer Person massiv verletzt wird. Deswegen weise ich immer darauf hin, wie wichtig eine wertschätzende Geisteshaltung und Sprache gerade im Konfliktfall ist – aber die meisten Menschen glauben, sie wären ohnedies respektvoll, sind es aber nicht – oder sie glauben, sie hätten ein Recht andere abzuwerten, ob spöttisch oder brutal ist einerlei, beides zielt auf die Schmerzgrenze im Gehirn (die nicht zwischen körperlichen und seelischen Verletzungen unterscheiden kann). Um die eigene Wut los zu werden, attackieren sie die Menschenwürde und nehme sich das Recht zu bestrafen. Weil „mit meiner Frau“, „mit meinem Kind“, „mit meinem Gegner“ – der oder die  „besiegt“ werden muss, „kann ich machen was ich will“.

Ist man sich sicher, dass man im Kreis der Gleichgesinnten Verständnis und Zustimmung finden wird, spricht man sich selbst von Schuld oder zumindest Verantwortung frei. „Ich konnte nicht anders“ heißt es dann – im Klartext „Ich kannte keine andere Möglichkeit“.

Und eben weil die „Mordswut“ in allen Menschen lauert, gilt es, die anderen Möglichkeiten deutlich einzufordern – und vorzuleben. Jeder Konflikt bietet dazu Gelegenheit.

Aber man muss die dazu passende „Technik“ (vom altgriechischen „techné“, Kunst) lernen. Die sogenannte GFK („Gewaltfreie Kommunikation“) reicht dazu nicht aus. Die hilft nur, kleinen Ärger zu vermeiden. (Meine Technik heißt übrigens  ILI ® – Intuitiv-linguistische Integrationsmethode s. www.salutogenese.or.at).