Sogar erfahrene Kriminalisten hätten die Dokumentationen der sexuellen Misshandlungen an drei Jungen, 5, 10 und 12 Jahre alt, gefilmt in einem Gartenhaus in Münster, nur schwer verkraftet, wird medial berichtet (https://www.rtl.de/cms/neuer-fall-von-schwerem-kindesmissbrauch-in-muenster-sieben-verdaechtige-vorlaeufig-festgenommen-4555703.html). Sieben Männer seien in Untersuchungshaft – allerdings wird auf Grund der bereits von früher bekannten Verbreitung der pornographischen Machwerke durch den Haupttäter auch noch ein großer Abnehmerkreis im Darknet zu verfolgen sein.
Solche Berichte lösen einerseits Phantasien aus und damit Emotionen und Gefühle (und Impulse, die man auch erst zu beherrschen lernen muss), andererseits aber auch Fragen nach der Entstehung solcher Untaten – kaum aber danach, was da an Folgen bei den Jungen ausgelöst wird und wie diese zu behandeln sind.
Zuerst: So schwierig das Schreiben über solche Gewalttaten ist – und dazu habe ich etliche Seminare für JournalistInnen abgehalten – ist vor allem wichtig, zwischen Pädophilie, Pädosexualität und Pädokriminalität zu unterscheiden und daher den Begriff Pädophilie nicht zu verwenden, wenn es sich eindeutig um sadistische Praktiken handelt. (Ich habe dazu 2006 „Die Wahrheit wird euch frei machen“, ein Grundsatzbuch, veröffentlicht.) „Schwerer sexueller Missbrauch“ bedeutet immer, dass die Körpergrenze des „Objekts“ durchstoßen wurde. (Das Wort Missbrauch deutet ja schon darauf hin, dass ein Mensch wie eine Gegenstand „verwendet“ wird.) In manchen Medienmeldungen war zu lesen, es wären auch Gegenstände verwendet worden, in anderen, die Knaben wären betäubt gewesen. Wie geht es diesen – wie werden sie betreut? Ist ihnen bewusst, was mit ihnen passiert ist? Welche Hilfen bekommen sie, um diese Erlebnisse verarbeiten und in ihre Biographie integrieren zu können? (Filmdokumente bleiben ja auf ewig im Datennetz! Man muss sich also auch auf spätere Konfrontationen vorbereiten.) Und: Wie werden sie vor weiteren Grenzverletzungen geschützt?
Sexuelle Gewalt verletzt nicht nur den Körper – ist da niemand etwas aufgefallen? – sondern vor allem die Seele: Das Sicherheitsgefühl und die Vertrauensfähigkeit, die Selbstachtung und das Wahrheitsempfinden, vor allem aber die Möglichkeit, die eigene Sexualität in der eigenen Zeit und mit dem selbstgewählten Menschen zu entwickeln, ohne dass sich Zwangsgedanken und -gefühle aus der Vergangenheit dazwischen schieben.
Was in den Tätern vorgegangen ist, zeigt sich erst, wenn man sie analysiert – denn sobald die Strafrechtsmaschinerie in Gang kommt, kommt auch die Verteidigungsstrategie in Gang. Beide Vorgehensweisen arbeiten auf der Vernunftebene. Was aber wirklich in einem Menschen vorgeht, zeigt sich allenfalls nur im geschützten Rahmen einer Psychotherapie – und das ist nicht immer das Ziel der staatlich anerkannten Methoden – oder vielleicht auch psychotherapeutisch kompetenter Seelsorge.