Da lese ich doch soeben im Kurier (20.09.2019, Seite 5), Altkanzler Sebastian Kurz fordere, „Lehrer und Lehrerinnen müssen wieder Autoritätspersonen sein“, und um ihnen „den Rücken zu stärken“, solle es mehr „Unterstützungspersonal“ für Verwaltung und Sozialarbeiter geben und es sollten auch „die Grundwerte des Zusammenlebens unterrichtet werden“. Und er fordert eine Bildungspflicht statt Schulpflicht.

Abgesehen davon, dass es in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland! – keine Schulpflicht gibt sondern eine Unterrichtspflicht (daher auch häuslicher Unterricht möglich ist), übrigens ein Denk-Fehler, den auch der selbsternannte Bildungsexperte Andreas Salcher in seiner Bestseller-Neuauflage „Der talentierte  Schüler und seine ewigen Feinde“ wiederholt macht! – sind diese Vorschläge ein Beispiel dafür, wie sich unbewusst das primäre geistige Bild vom „überlegenen“ Instruktor einschleicht, wenn es darum geht, „Verstöße“ oder „Gewaltexzesse“ im Schulsystem hintanzuhalten.

Ich schreibe absichtlich „primäre“ und beziehe mich damit auf Maria Theresia, die, als sie die Unterrichtspflicht einführte, abgemusterte Militärangehörige mangels weltlicher Pädagogen (Frauen waren noch nicht angedacht) als Lehrkräfte einsetzte und die … exerzierten. Diese paramilitärische Ausrichtung findet sich heute auch in der Einrichtung der sogenannten Bootcamps für Straftäter oder „schwererziehbare“ Jugendliche. Wie üblich, wird dabei immer nur auf das Endergebnis eines – möglicherweise gar nicht vorhandenen – Erziehungsprozesses geschaut und nicht auf die Person und ihre Biographie.

Der von mir hochgeschätzte Psychoanalytiker (und Ex-Lehrer sowie zuletzt auch Leiter eines Heimes für gefährdete Jugendliche – diese Bezeichnung gefällt mir viel besser, denn wer andere gefährdet ist selbst gefährdet worden, dort haben er oder sie diese Methode ja gelernt! Fernsehen immer als „geheimer Erzieher“ miteinbezogen!) Harald Picker betonte oft, wir – die Gesellschaft – würden alles an andere „wegdelegieren“, was uns selbst zu schwierig erscheine: Dann „hielten“ wir uns fürs Grobe die Polizei, fürs Strafen die Richterschaft und fürs Liebhaben die SozialarbeiterInnen (oder fürs Vermitteln Mediatorinnen – es gibt ja auch dazu ausgebildete SchülerInnen!, und die sind meist sehr effizient).

Auch von der derzeit heftig beworbenen „Neuen Autorität“ halte ich eher wenig: Der Begriff der Autorität bedeutet immer eine „schiefe“ Beziehung von einer Person im überlegenen („Eltern“)Status, die von einer anderen „von unten hinauf“ als quasi „Besserwisser“ „hoch“geachtet wird. Auch wenn es keine künstlich institutionalisierte Überordnung darstellt (wie in der Schule) sondern eine sogenannte natürliche Autorität auf Grund der Persönlichkeit, bleibt das Machtungleichgewicht bestehen und führt im Konfliktfall zu Machtkämpfen. (Aber möglicherweise ist dieses A-Wort auch nur zur Beruhigung derjenigen eingesetzt, die „härteres“ Reagieren auf „Störenfriede“ fordern.)

Was ich hingegen in meiner jahrelangen Lehrveranstaltung „Didaktik der Gewaltprävention“ und in der von mir entwickelten Methode PROvokativpädagogik (PRO großgeschrieben weil prosozial gemeint, siehe auch mein gleichnamiges Grundsatz-Buch dazu https://www.perner.info/rotraud-a-perner/provokativpaedagogik-provokativmethodik-2017/) Lehrkräften sehr erfolgreich vermitteln konnte, ist Umgang „auf Augenhöhe“ in einer gewaltverzichtenden Sprache (Betonung auf Verzicht – denn die sogenannte „gewaltfreie“ Kommunikation – eine Werbemarke! – beansprucht verdeckt Dominanz!) und setzt bei der Lehrkraft an, nicht bei Schülerschaft, Elternschaft oder Kollegenschaft, denn die brauchen eine Umgangsform, die sich sofort, d. h. im Augenblick des Bedarfs, als Alternative zu Machtspielen, und seien sie noch so versteckt, anbietet.

Im Nachhinein psychagogische, sozialarbeiterische und was es sonst noch derzeit als psychologische Interventionen im Talon der Bildungsbehörden gibt, einzusetzen, stigmatisiert die betroffenen Störenfriede, weil sie sie aus der sozialen Gemeinschaft heraus nimmt und damit zu Außenseitern macht, die erst recht um Kompensation ihrer Unterlegenheitsgefühle kämpfen werden.