Es gibt Worte, die prägen sich sofort ins Gedächtnis ein und werden unbedacht immer wieder ausgesprochen (oder geschrieben) – und das, obwohl die Vernunft sofort aufzeigen müsste, dass sie destruktiv dramatisieren oder gar schlicht Unwahrheiten transportieren.
Meist sind das Worte, die entweder stark lautmalerisch wirken oder mit emotionalisierenden geistigen Bildern verbunden sind. Eines dieser dramatisierenden Worte ist „sprengen“. Gibt man es auf google ein, finden sich etliche Meldungen, in denen von vergangenen oder künftigen Sprengungen von Regierungen die Rede ist – dabei würde das Wort „auflösen“ genügen, eventuell auch „beenden“. Diese korrekten Formulierungen würden allerdings voraussetzen, dass man darauf verzichtet, eine Person zu verteufeln anstatt die auslösenden Situationen und alle daran Beteiligten genau unter die Lupe zu nehmen. So beklagte Altvizekanzler Mitterlehner in der PRESSE, dass der damalige Außenminister Kurz die Regierung sprengen wollte (https://diepresse.com/home/innenpolitik/5613760/Reinhold-Mitterlehner_Kurz-wollte-die-Koalition-sprengen und viele gleichlautende Meldungen) und ebenso findet man unzählige Medienauszüge, in denen Wolfgang Sobotka als Sprengmeister bezeichnet wird. Beim 186. und ersten erfolgreichen Misstrauensantrag in Österreich vom Mai 2019 fehlt dieses Wort – obwohl für Maria Stern als Obfrau der initiativen Liste „Jetzt“ (die diese Erstposition ja auch oft genug für ihre Partei und sich reklamiert hat) der Titel Sprengmeisterin wohl respektvoll angemessen wäre, da sie ja in der entsprechenden Legislaturperiode kein Mandat bekleiden „durfte“, also doppelt initiativ sein musste.
Ein anderer Meister, nämlich beim Sprachverwirren, ist Thomas Drozda. Von ihm habe ich (am 23. August) das erste Mal im Radio den Begriff „Ibiza-Koalition“ gehört – und gleich dazu das Wort „Spendensumpf“. Das ist bestes NLP! Auf diese Weise verband er die geistigen Bilder von dem illegal und lange vor der Regierungsbeteiligung der FPÖ aufgenommenen Video aus Ibiza (das konkret nur für den Vizekanzler Erklärungsnotstand bedeutete) mit der gesamten Regierung, vor allem aber mit allen Regierungsmitgliedern. So geht Diffamierung. Auch hier hätte es genügt zu sagen, „Diese Regierung hatte nie unser Vertrauen“, wenn man korrekt sein wollte – und „Aber wir haben ihr lange genug eine Chance gegeben“. Das wäre dann halt kein „Sager“ gewesen, aber Drozda hätte sich als Staatsmann von untadeligem Format präsentiert – und nicht als Stammtisch-Kabarettist.
Weniger brisant, dafür aber allgegenwärtig ist derzeit das Wort „leistbar“: Beginnend mit leistbares Wohnen findet es sich derzeit in allen möglichen Kombinationen – und setzt etwas objektiv, was in Wirklichkeit von subjektiven Entscheidungen abhängt. Sich etwas leisten kann als sich etwas „gönnen“ verstanden werden – oder als budgetäre oder soziale Grenzüberschreitung à la „Was hast du dir denn da wieder geleistet?“ Und wer so wie ich an der Basis Sozialarbeit leistet (im Sinne von „sich abmühen“), weiß, was sich manche Menschen „leisten“, ohne auf ihre beschränkte Finanzkraft Rücksicht zu nehmen – und dass das mit mangelndem Wissen und Können, mangelnder sozialer Unterstützung, vor allem aber mit permanenter Werbung für Konsum (vom Versandhaushandel bis zum Substanzmissbrauch) als Selbstwertstütze zusammenhängt. (Deswegen arbeiten in der Schuldnerberatung ja auch Psychotherapeuten!) Das Wort „leistbar“ ist im Zusammenhang mit politischen Forderungen verdummend. Korrekt müsste es „zumutbar“ heißen. Damit wäre der Objektivität Rechnung getragen.
Deswegen halte ich es für ganz wichtig, auf den „listigen Wortmissbrauch“ hinzuweisen und anzuleiten, dass und wie man ihn sofort erkennt (und mit Humor entkräftet).