Mit Plagiatsvorwürfen in die Öffentlichkeit zu treten, wird wohl als psychologische Kriegsführung gegen politische Gegner:innen von all denen akzeptiert werden, die Menschen „sozial morden“ wollen. Und dass sich jemand mit Spezialisierung auf diese Form von „Menschenjagd“ (übrigens der Titel eines meiner ersten Bücher) beruflich – angestellt oder als freier Unternehmer – profilieren will, ist Zeichen von Schnüffelkompetenz und Gespür für Nischenprodukte und gehört zum „Job“.

Das Problem liegt aus meiner jahrelangen Berufserfahrung als Unterrichtende an sechs österreichischen Universitäten sowie auch als Betreuerin von Abschlussarbeiten von anderen Akademien aber wo anders: Erstens entspricht die universitäre Entlohnung derjenigen, die die Arbeiten kontrollieren sollen – und da spreche ich noch nicht von der Zeit allfälliger Betreuung! – nicht dem dafür nötigen Zeitaufwand (sondern oft nur einer Handwerkerstunde!), zweitens delegieren daher höherrangige Lehrende diese lästige (wenn nicht der eigenen Karriere-Bereicherung dienende) Pflicht vielfach an ihr Mitarbeiterschaft oder gar „mithelfende Familienangehörige“ – eine Form von intellektueller Ausbeutung.

Bei parauniversitären Bildungseinrichtungen hingegen wird deutlich besser bezahlt! Hier wären generelle Offenlegungen aller Honorarsätze – bei Angestellten vergleichbar hochgerechnet – vor allem auch in Hinblick auf die Transparenz der fürstlichen Gehälter der jenseits von Forschung und Lehre „Verwaltenden“ (samt der Zahl ihrer unterstützenden Mitarbeiterschaft), von der Rektorenschaft abwärts, ein Beitrag zur finanziellen Gewaltprävention für all diejenigen, die als wissenschaftliche Hilfskräfte, Assistenzen oder Lektor:innen das tradierte System erhalten (müssen).

Drittens stellt dies alles aber auch ein Symptom unserer „flüchtigen Gesellschaft“ dar: Es wird nicht nur, Zeitknappheit und Zeitdruck geschuldet, „flüchtig“ gelesen, kontrolliert und durchgewunken, sondern vor unbedankten Arbeiten die Flucht ergriffen – nicht nur von denen, die die Verantwortung für die Genehmigung erteilen, sondern auch von denjenigen, die Seminar- oder Abschlussarbeiten abliefern. Ich habe mich immer wieder über den flüchtigen Arbeitsstil gewundert, nur Textstellen aus dem Internet herunterzuladen und beim Zusammenfügen nicht einmal die Schriftgrade zu vereinheitlichen, geschweige denn alles mit eigenen Worten umzuformulieren, und danach empört zu reagieren, wenn man, sprich ich, solche Arbeiten „zurückschmeißt“, d. h. eine Verbesserung verlangt. (Dabei wird all das vorab in der Lehrveranstaltung „Wissenschaftliches Arbeiten“ erklärt – aber auf die meinen manche verzichten zu können!)

Apropos „zurückschmeißen“: Mir hat eine ehemalige Studentin in Corona-Zeiten, als ich wie andere Freiberufler:innen dringend Lehr- und Trainingsaufträge (z. B. online) gebraucht hätte, zugemutet, ich solle ihr für ihren Lehrauftrag meine unveröffentlichten Forschungsunterlagen zur Verfügung stellen – also „Ghostteaching“ (analog zum genauso unredlichen und verpönten, nichtsdestotrotz häufigen Ghostwriting) betreiben, natürlich kostenlos.

Und dann gibt es eine vierte Kritik (im Gedenken an den deutschen Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg): Es ist ein Unterschied, ob jemand humanwissenschaftliche Arbeiten mehr oder weniger nach der Reifeprüfung allein auf Grund des im Studium Erarbeiteten verfasst, oder viel später als Angestellter z. B. einer politischen Partei, mit einem parteispezifischen Thema, mit Zugriff auf die dort vorhandenen Archive, vor allem aber auch auf die dort Lohnabhängigen. Das ordne ich unter den Begriff „Zu-flucht“ ein, aber es verletzt ebenso die wissenschaftliche Redlichkeit, selbst zu denken und die Genese der eigenen Gedankenwelt nachvollziehbar zu machen.