Unter Paternalismus versteht man „überfürsorgliche“, in Wirklichkeit absichtlich bevormundende staatliche Eingriffe in das Privatleben und damit eine Form von Herrschaft, die auf sanfte Art möglichen Widerstand ihrer Adressaten vermeiden will. Als ich evangelische Theologie studierte und mich dabei auf Ethik spezialisierte, absolvierte ich dazu ein einschlägiges Seminar: Da ging es um Impfzwänge, Rauchverbote und andere Prohibitionen, Fluortabletten für Kinder etc. bis zu Chlor im Wasser, Unkrautvernichtungsmitteln und schloss mit Überlegungen zu Patientenverfügungen. Wir Studierenden waren gefordert, Sinn, Zweck, vor allem aber auch alternative Verhaltensweisen zu reflektieren.
Paternalistisch heißen Erziehungsversuche an Erwachsenen, die selbstbestimmungsfähig (also nicht geistig beeinträchtigt oder aus anderen Gründen besachwaltet) sind. Entscheidet sich „der Staat“ – egal auf welcher legistischen oder Verwaltungsebene – für paternalistisches Vorgehen, so kann man drei Motive annehmen: Eine Geisteshaltung der Bevorzugung straffer Hierarchie (wie man sie vor allem von diktatorischen Regimen kennt), äußere Zwänge (wie beispielsweise Pakt-Treue oder Druck einflussreicher Lobbys) oder Unkenntnis anderer, demokratischer(er) Methoden. Die gibt es. In seinem aktuellen Buch „Die freundliche Revolution – Wie wir gemeinsam die Demokratie retten“ (Molden) bringt Philippe Narval, der Geschäftsführer des Forum Alpbach, zahlreiche Beispiele erfolgreicher Mitgestaltung wie auch Initiativen von BürgerInnen … im Ausland.
In Österreich herrscht hier noch Lernbedarf – oder auch Mut zur Bürgernähe.
Es schmerzt, wenn man urplötzlich aus den Medien erfährt, dass beispielsweise ein Wahlversprechen wie z. B. das „Schweinbarther Kreuz“ – eine Bündelung von mehreren Bahnlinien im Weinviertel – unverändert zu erhalten, auf Betreiben der ÖBB nicht eingehalten werden kann, weil diese beschlossen haben, es rentiere sich nicht mehr. Dabei wurden erst kürzlich Bahnschranken installiert … also waren die damaligen ÖBB-Verantwortlichen entweder der Meinung, das rentiere sich – oder sie hatten die Wirtschaftlichkeit nicht geprüft. Zahlen, an Hand derer die Bevölkerung das überprüfen könnte, wurden (auch jetzt) nicht veröffentlicht.
Rentieren würde sich die Beibehaltung bei täglich 2.000 Fahrgästen anstatt von nur 700, war zu lesen. (https://www.heute.at/oesterreich/niederoesterreich/story/Bahnlinie-wird-eingestellt–Kritik- an-Land-und–BB-49470606)
In jedem Verlagsvertrag verpflichtet sich der Verlag, bestmöglich für die Bewerbung und Vermarktung des zu schreibenden Buches zu sorgen – wäre das nicht auch Aufgabe der ÖBB? Und nicht wie erst kürzlich den Fahrplan schülerfeindlich zu ändern (quasi als negative Aschenputtelstrategie). Dafür wird angekündigt, dass Ersatzbusse (die nach einigen Jahren auf E-Busse umgestellt werden sollen – wie wenn es unerschöpfliche Stromquellen gäbe, besonders bei zunehmender Gletscherschmelze) häufiger und zeitlich ausgedehnter fahren würden – wie wenn das mehr Fahrgäste bringen könnte und nicht nur erhöhte Kosten. Es drängt sich die Vermutung auf, dass hier nur Busfabrikanten erfolgreich akquiriert hätten – ohne dass die Negativfolgen (und derer gibt es noch viel mehr als ich hierfür Platz geben mag) bedacht oder gar aufgezeigt wurden, nicht den Lokalpolitikern und schon gar nicht der betroffenen Bevölkerung.
Aber klar: Wenn man etwas verkaufen will, malt man auf paternalistische Weise eine „bezaubernde“ Zukunftsvision.
Irgendwie erinnert mich das an „Des Kaisers neue Kleider“.