Wenn Oona Kroisleitner im Standard vom 30.06.2022, Seite 28, („Keine Dauerlösung“) die ehemalige Unterrichtsministerin (1995–2007!) Gehrer dafür kritisiert, dass sie einst Maturant:innen vor dem Lehramtsstudium warnte, während heute Lehrkräfte „Mangelware“ wären (mit diskretem Hinweis auf Corona-bedingte Ausfälle) und Sonderverträge, Einsatz von Student:innen und Pensionist:innen nur „Symptombekämpfung“, so geht das an der echten Ursache vorbei. Die beseitigt nämlich auch – Zitate – „pädagogische Expertise“ und ein „attraktivierter Karriereweg“ nicht.

Meine Erfahrung aus Beratung, Forschung, Supervision und Unterricht an der Univie (Didaktik der Gewaltprävention) sowie Universität für Weiterbildung in Krems (PROvokativpädagogik – nicht zu verwechseln mit der nachgefolgten Mogelpackung Provokationspädagogik) – und publiziert in den Büchern „Mut zum Unterricht“ (2007), „Feindbild Lehrer?“ (2009) und „PROvokativpädagogik – PROvokativmethodik“ (2017), alle erhältlich über www.aaptos.at  – hat klar ausgewiesen: Die Schülerschaft hat sich sozial gegenüber früher massiv verändert, und die Lehrerschaft ist darauf nicht vorbereitet.

Als ich in den 1970er/80er Jahren die Ausbildung zur Psychoanalytischen Sozialtherapeutin machte, die das Ziel hatte, jugendlichen Schulverweigerern, Kleinkriminellen, Prostitutionsgefährdeten etc. professionell Begleitung zu bieten, um ihnen mehr Möglichkeiten als diese problematischen für ihren künftigen Lebensweg schmackhaft zu machen. Schon damals war klar, dass dies einer anderen Form der Kommunikation bedarf als die „übliche“ – und dies bedarf wiederum einer anderen Einstellung – und diese wiederum bedeutet vielfach Persönlichkeitsveränderung – und dies alles bei den Lehrenden.

So hat mich eine Junglehrerin verzweifelt nach ihrem ersten Unterrichtstag angemailt, sie wolle nicht mehr in die Schule gehen, die Schüler (bewusst männlich) seien so schrecklich, sie halte diese Angriffe nicht aus. Kein Einzelfall. Schon vorher hatten mir Lehrkräfte in den Interviews 2006 bzw. 2008 zu meinen oben angeführten Büchern von Beschimpfungen, Übergriffen, körperlichen Attacken erzählt – und das ist seitdem eskaliert: Nur manchmal findet es auch den Weg in die Medien – wenn es Polizeieinsätze gibt. Vieles wird „intern geregelt“. (Aber dieses Thema habe ich in meinem Buch „Das Schweigen der Hirten – Kirche und sexuelle Grenzüberschreitungen“ 2022 behandelt.)

Ich war im Herbst 2020 bei der damaligen stellvertretenden Leiterin des AMS NÖ mit dem Vorschlag, geeigneten Personen – und auch solchen, die als „schwierig“ Betroffenenkompetenz haben – eine umfassende Berufsvorbereitung für Bildungs-, Gesundheits- und Sozialberufe zu ermöglichen; unter umfassend verstand ich meine eigene multidisziplinäre Ausbildung und Berufserfahrung als auf allen Bildungsstufen und Berufsgruppen Unterrichtende, Psychotherapeutin, Pfarrerin, Sozialarbeiterin und Supervisorin, aber auch „ausgebildete“ Kommunalpolitikerin (und noch einige mehr, aber die tun hier nichts zur Sache).

Ich bin nämlich davon überzeugt, dass wir heute im Regelschulbereich ganz andere als die traditionellen „Lehrertypen“ (Frauen mitgemeint) brauchen – und eine neue Art des Unterrichts. Meine Konzepte liegen alle fertig in meinem Büro (Institut für Projektberatungen) – aber ich gebe sie erst her, wenn ich einen Durchführungsauftrag habe. Aber wie es scheint, hat seit langem niemand wirklich Interesse an qualitativen Veränderungen – sondern nur an quantitativen: Geld und Personal. (Übrigens: Ministerin Gehrer bat mich einmal Anfang dieses Jahrhunderts zu sich und wollte mir diesbezüglich einen qualitativen Auftrag geben – aber dies wurde auf Beamtenebene behindert und schubladiert. Zeugen leben noch.)

Doch, wie schon Österreichs weltberühmter Kommunikationsforscher und Psychotherapeut Paul Watzlawick sagte: „Mehr von demselben“ löst nicht die Probleme.