Mitten in die Debatten um Freiheit – bezogen auf trotzige Verweigerung des Mund-Nasenschutzes oder Kontaktregelungen (Datenbekanntgabe bei Gasthausbesuchen ist da schon eine viel heiklere Angelegenheit) – platzt nun die Information, dass sich der Verfassungsgerichtshof nach zeitlicher Verschiebung nunmehr mit einer Klage auf das Recht auf einen selbstbestimmten Tod beschäftigen werde.

Wieder einmal stehen sich zwei Lager gegenüber: Die einen wollen nicht aus religiösen oder anderen moralischen Gründen auf lange Zeit hin Schmerzen leiden müssen – die anderen befürchten Geschäftemacherei mit dem Tod (wie wenn es die nicht hinsichtlich der Begleitrituale immer schon gegeben hätte), Druck auf Kranke („den andern nicht zur Last fallen“) und Ärzte und erinnern an die Möglichkeiten des Missbrauchs wie im Dritten Reich; außerdem wären Palliativ- und Hospizarbeit menschenwürdige(re) Alternativen.

Was dabei übersehen wird, sind die psychischen Wirksamkeiten, wenn jemand nur mehr den Tod vor Augen hat – und dabei denke ich nicht bloß an Schmerzpatienten. Wie ich in meinem ganz neuen Buch „Komme was da wolle … Krisenkompetenz“ bekenne, hatte ich nicht nur 2010 im Zuge eines schweren Autounfalls die Herausforderung, mich auf mein Sterben einzulassen, sondern kenne auch aus meiner Jugend die Befindlichkeiten, wenn man glaubt, sein Leben nicht ertragen zu können. Ich beziehe mich also nicht nur auf meine zahlreichen Erfahrungen aus der Begleitung von präsuizidalen Menschen. Ich weiß leider, dass viele durch diese aktuelle medial dominierte Debatte (Kurier, 11. 9., 20. 9., 24. 9., 25. 9., Der Standard 25. 9.) stärker in Richtung Verwirklichung ihrer Selbsttötungsphantasien motiviert werden. Daher finde ich diese Form von „Öffentlichkeit“ nicht hilfreich.

Vor allem aber habe ich mich intensiv damit auseinander gesetzt, was die KlientInnen oder auch ihre Angehörigen – Hinterbliebenen – gebraucht hätten, und logischerweise auch, was ich jeweils gebraucht hätte: Wenn man an einem „Tief-Punkt“ angelangt ist, braucht man diesen kleinen „Nudge“, um eine minimale Perspektive in die allernächste Zukunft zu entwickeln; dazu brauchen die meisten Menschen jemand, der ihnen bei dieser „Über-Brückung“ hilft bzw. beisteht. Bei unerträglichen körperlichen oder seelischen Schmerzen gibt es darüber hinaus noch mehr als nur chemische oder palliative Interventionen – aber die sind in den Grenzbereichen zur Paramedizin oder Meditation beheimatet. (Dazu forsche ich seit Jahren – ist aber noch nicht publikationsreif.)

In unserer schnelllebigen Zeit werden „schnelle“ Lösungen gesucht. Assistierter Suizid ist so eine – und die Entscheidung darüber sollte nicht der Gesetzgebung überlassen werden, sondern dem Verfahrensrecht zur Milderung oder Aussetzung der Strafverfolgung bei Verletzung der Strafrechtsbedingungen. Es wäre hoch an der Zeit, für solche Anlassfälle spezifisch kundige Fachleute auszubilden. Nur interdisziplinär besetzte Berater-Gremien sind zwar üblich und „mehr als Nichts“ – es braucht in Wirklichkeit aber umfassend interdisziplinär (und nicht unbedingt akademisch!) ausgebildete Thanatologen, die aus eigener Erfahrung alle Interventions- und Beistandsmöglichkeiten bei Verlust des Lebenswillens kennen.