So beeindruckend die TV-Serie Die Macht der Kränkung vermitteln konnte, wieviel Leid Menschen anderen aus Bosheit, Rache oder einfach sozialer Inkompetenz zufügen können, so unzulänglich zeigte sich der Versuch einer zusätzlichen Aufarbeitung des dargestellten Phänomens in der nachfolgenden TV-Diskussion.

Das lag nicht an den teilnehmenden sogenannten ExpertInnen, egal ob sie aus der Antigewalt-Politik oder aus Psychoberufen stammten. Eine TV-Diskussion ist immer ein „Schau-Spiel“, und wie am Theater dominiert auch dort die „Regie“ und die wirkt eben anders als beispielsweise das Bemühen um Klärungen in einer Supervisions- oder gar Selbsterfahrungsgruppe.

So hat mich die Startfrage, mit welchen der AkteurInnen in der Serie man sich „identifiziert“ habe, gestört, um nicht zu sagen entsetzt. Identifikationen bewusst zu machen ist psychotherapeutische Arbeit und die braucht Zeit und bestimmte Rahmenbedingungen. Daher war ich sehr erfreut, als Alexander Haydn von der Wiener Männerberatung diese (absichtliche?) Fehlformulierung in Richtung, wer ihn emotional am meisten berührt habe, „reframte“. (Reframing ist eine psychotherapeutische Technik, einen anderen Blickwinkel oder eine andere „Umrahmung“ zu verdeutlichen und damit „Denk-Einschränkungen“ entgegenzuwirken.)

Es liegt an der Wortwahl, welche „Denke“ man suggeriert. So war gut zu beobachten, wie die erstmalige Verwendung des Wortes „Amok“ – im Zusammenhang mit dem dreimaligen „Schusswaffengebrauch“ gegen Schluss der Serie – von den DiskussionsteilnehmerInnen übernommen wurde, obwohl vermutlich alle ExpertInnen wussten, dass Amok (https://de.wikipedia.org/wiki/Amok) etwas ganz anderes ist als die in der Serie dargestellte Reaktion. Deswegen heißen ja auch die Schul-Massaker nicht Amok, sondern school shootings – und auch Massaker, weil sie gezielt eine große Zahl von Menschen treffen sollen – nur „unter anderem“ auch solche, zu denen keinerlei persönlicher Bezug besteht.

Aber auch das Wort Kränkung gehört deutlich von Beleidigung, Beschimpfung, Ignoranz, Ausgrenzung und noch vielen ähnlichen Begriffen differenziert. Denken wir nur an Kurt Ostbahns Lied „Ka Idee“, in dem es sehr treffend heißt „… Wos is da do nua eingfalln / Manst ned, dass des den andern kränkt / Vaschwindst zwa Tog und riast di ned / Wos host da dabei denkt …“

Auch bis zu dem vom „Psychiater der ,Österreichischen Seele‘“  Erwin Ringel (1921–1994) im gern zitierten Satz „Was kränkt macht krank“ (Buchtitel von Robert Michael aus 1959!) angesprochenen Krankheitsbild (z. B. einer Depression oder deren somatischen Larvierung) liegt meist ein langer Weg.

Deswegen unterscheide ich zwischen den Auslösereizen – und nenne diese konkreter „Attacken auf das Selbstwertgefühl“ einer Person, egal ob sie bewusst oder unbewusst „aus Gewohnheit“, wie man sie eben „erlernt hat“, erfolgen – und den oft erschreckenden Reaktionen, die ich als „unpassende“ Versuche erkenne, sich dagegen zu wehren – d. h. die eigene Selbstachtung zu verteidigen bzw. wieder herzustellen.

Dafür gibt es aber auch andere Methoden – und auch die lernt man nur an Vorbildern und durch Übung. Leider wurde gerade das in der Diskussionsrunde verabsäumt, nämlich diese Informationen vorzustellen. (Als ehemalige Universitätsprofessorin für Prävention und Gesundheitskommunikation habe ich viel dazu publiziert, z. B. in meinen Büchern „Kaktusmenschen“, „(Über)leben in ,interessanten‘ Zeiten“, „Krisenkompetenz“ und zuletzt „Mit Recht und Seele“ und noch mehr, zu finden auf www.perner.info unter Publizistik.)