Da las ich doch am 16. März im Kurier ein Interview mit Stefan Verra (nämlich zur Bewerbung seines neuen Buches), laut Wikipedia studierter Schlagzeuger, Instrumental- und Gesangspädagoge, in dem er seine Interpretationen von Details der Körpersprache von Kurz, Strache und Van der Bellen (sowie Trump, Lagarde und Macron) quasi als Dogma darlegt.

Als seine subjektive Sicht ist das zu respektieren – so wie auch die Sicht des ursprünglichen Tänzers und späteren Pantomimen Samy Molcho, der mit seinen Körpersprache-Interpretationen sich schon seit den 1980er Jahren „weltberühmt in Österreich“ machte. Seine Entschlüsselungen basieren auf dem Ansatz, wie er bestimmte Emotionen darstellen würde – und das ist vielen Menschen einsichtig, daher glauben sie daran.

Viele Menschen suchen nach Checklisten, mit denen sie sich insgeheim Sicherheit und Macht gegenüber anderen Menschen erhoffen – gleichsam als Geheimwissen für Überlegenheit, und so werden auch die Vorträge, Seminare und Bücher dieser „Experten“ beworben und verkauft: Dann vertrauen die Konsumenten dieser Produkte und Dienstleistungen darauf, dass etwa vor der Brust verschränkte Arme Abwehr, Misstrauen oder verhaltenen Ärger bedeuten. Das kann schon mal stimmen … aber ebenso kann es eine Reaktion auf Kälte, Hunger oder /andere) Magenschmerzen sein (oder auch Juckreiz, einen abgerissenen BH-Träger oder was auch immer).

Wer mit kommunikationswissenschaftlicher Basisliteratur vertraut ist, kennt das Axiom, dass der „Empfänger“ die Botschaft nach eigenem Gutdünken entschlüsselt – und oft ganz anders, als es der „Sender“ bewusst beabsichtigt hat; aber oft schlägt das Unbewusste zu und enttarnt die in Wahrheit zutreffenden Motive oder Ziele. Diese können viele sensible Menschen sehr deutlich „spüren“ (beispielsweise über den elektrischen Hautwiderstand) und merken dann die Absicht und sind verstimmt.

Herr Verra meint beispielsweise, Donald Trump setze seinen Zeigefinger als Waffe ein; man könnte aber auch meinen, er könne / wolle seine Erregung nicht beherrschen, oder er spiele irgend ein nörgelndes Vorbild aus seiner Kindheit nach – oder einer seiner  Spindoktoren habe ihm dazu geraten … Ich halte nichts von einseitigen „Nur das!“-Behauptungen. Ich halte es vielmehr für richtig, Menschen einzuladen, sich zu entspannen und im eigenen Inneren nachzufühlen, wie sich etwas für sie anfühlt … und sich vielleicht an Situationen ihrer Kindheit zu erinnern, als ihnen dieses Wahrheit-Fühlen verboten wurde … (Man denke an H. C. Andersens Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“!)

In den tiefenpsychologischen Therapien arbeiten die Fachleute mit diesem „Gespür“, denn darauf sind sie in ihren jahrelangen Ausbildungen durchaus schmerzhaft trainiert worden (und dieses Geschehen kann man mittels Computertechniken auch sichtbar machen); sie haben zusätzlich spezifische Sprachformen erarbeitet, wie man unbewusste Äußerungen respektvoll ins Bewusstsein heben kann.

Checklisten, was welche Bedeutung haben soll, finde ich nicht respektvoll – sie dienen nur dazu, Dialog auf Augenhöhe zu vermeiden bzw. sich selbst über andere zu erhöhen.

Will man andere Menschen wirklich verstehen – und nicht nur manipulieren – braucht man die Fähigkeit, sich in sie einzufühlen. Auch dafür gibt es „technische“ Anleitungen (wobei manche davon nicht unproblematisch sind). Sie gehören in den wissenschaftlichen  Forschungsbereich der gesetzlich geregelten Ausbildungen für seriöse Gesundheitsberufe (es gibt auch andere), vor allem in Hinblick auf deren ethische Vertretbarkeit, aber nicht in das Repertoire von „Verkaufstalenten“.