Nun hat also unsere Regierung den für evangelische Christen arbeitsfreien Karfreitag weggezaubert. Wäre ja auch ein zu langes Wochenende geworden … und für den Handel ein Riesenmanko im Verkauf von Ostergeschenken … weil wir Evangelische ja so viele sind … Sind wir natürlich nicht. Wir sind eine Minderheit von nicht einmal 300.000 in Österreich (Kinder und PensionistInnen mitgezählt).

Aber wir wissen ja: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Zumindest wurde das lange Zeit plakatiert, damit wir es wissen.

Und Sarah Wiener hat als Listenzweite der Grünen für die EU-Wahl den Lied-Refrain aus der „Dreigroschenoper“ von Bert Brecht in Erinnerung gerufen „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“. (Die zweite Hälfte des Zitats hat sie bekanntlich weg gelassen … wäre ja auch unschön für eine potenzielle Politikerin!)

Ja, die Moral … besonders die christliche (an die sich, wie wir heute anlässlich der erstinstanzlichen Verurteilung des australischen Kardinal George Pell wegen Kindesmissbrauchs – es gilt daher noch immer die Unschuldsvermutung – auch manche Kirchenfunktionäre nicht halten), die haben manche nicht so gerne, und das überträgt sich auf die Religion. Nur: Religion ist etwas anderes als Bekenntnis, als Kirchenzugehörigkeit, als Glaube und Verhalten überhaupt. (Der Kurier vom 27.02., S. 6,  titelt übrigens „Bischöfe nach Schuldspruch ,schockiert‘“ – und da assoziierte ich: Aha, über den Schuldspruch – aber nicht über die zu Grunde liegenden offensichtlich bewiesenen Tatsachen.)

Für mich (erst mit knapp 40 Jahren Christin gewordene langjährige Freidenkerin) ist der Karfreitag kein „Feier-Tag“, sondern ein Tag der Besinnung (und ein Fasttag) – ein Tag zum Gedenken an Anfeindungen, Verhaftungen, Folter, Ermordung unliebsamer Menschen, und an die Hinrichtung Jesu als Stellvertreter all derjenigen, die ein gleiches Los teilen mussten und müssen. Hochaktuell!

Und ein Tag zum Nachdenken, welche Ethik (und die ist mehr als vorgegebene Moral) nötig ist, um gegen Unrecht zu protestieren – und dazu zähle ich die problematische, für mich unrechte, richterliche Bewertung der Beschwerde eines Atheisten, der sich diskriminiert fühlte weil er keinen zusätzlichen „Feiertag“ genießen könne.

Ich folge in meiner Bewertung dem renommiertesten Arbeitsrechtler Österreichs Wolfgang Mazal, der in der traditionellen Karfreitagsregelung keine Diskriminierung Glaubensloser erkennt, sondern eine „positive Maßnahme zugunsten einer Gruppe Glaubender, deren religiöse Bedürfnisse im Vergleich zu anderen Glaubenden durch die allgemeiner Feiertagsregelung nicht ausreichend berücksichtigt sind“. (https://lesen.lexisnexis.at/login?next=/_/mazal-gleichbehandlung-diskriminierung-oder-positive-massnahme-z/artikel/ard/2017/6535/ARD_2017_6535_017.html)

Für ethisch engagierte Menschen stellt sich immer die Frage „Anpassung oder Widerstand?“. Darwinisten sehen das Überleben in der Anpassung („Survival of the fittest“). Ich denke, wir – oder zumindest ich – werden eine dritte (oder auch vierte) Lösung finden, den „Sinn“ (den „Zauber“, wie es in Richard Wagners „Parsifal“ heißt) des Karfreitags deutlich zu machen.

Es muss ja nicht gleich wie am 19.09., dem „talk like a pirate day“ der Pastafarianer sein …