Halt! Gewalt!

In letzter Zeit wurde oft die Frage gestellt, ob die Medien mit schuld seien an Hasspostings oder auch der Verrohung der Sprache. Teils ja, teils nein, lautet meine Antwort.

Sprache orientiert sich grundsätzlich am gesprochenen Wort und daher an den Bezugspersonen, die wir als Kleinkinder imitieren, und da schon fällt es vielen schwer, grammatikalisch halbwegs korrekte Sätze zu bilden, wenn daheim nur im Befehlston „gebellt“ wird. Zur Erinnerung: Immer wieder werden Zeitangaben veröffentlicht, wie erschreckend wenig beziehungsorientiert Paare miteinander reden – so zwischen 5 und 10 Minuten täglich, Tendenz abnehmend. Statt dessen wird nunmehr gesimst … Doch was man nicht übt, verkümmert – davor warnt ja auch der Volksmund mit „Wer rastet der rostet“ oder auf Englisch „use ist or loose it“.

Heute stammen die Vorbilder vielfach aus den audiovisuellen Medien, aus Action-Filmen oder Krimis und selbst Kinderfilme bieten über-mütige Helden als Identifikationsfiguren an, und das sagt viel über die Siegesbedürfnisse der Drehbuch-Autorenschaft aus, die sie (vielleicht noch aus Kindertagen) in sich tragen. Wer kennt nicht die insgeheime Hoffnung auf Anleitung zur Überlegenheit? Und weiß auch, dass das mit List und Tücke leichter geht als mit fairer Konkurrenz. So kommen ja viele Menschen gerade deswegen in die psychologische Beratung, weil sie sich Tricks erhoffen, andere ihren Wünschen gemäß manipulieren zu können. Dabei ist es viel gesünder, auf diese Forme subtiler Gewalt zu verzichten und einfach darum zu bitten.

Zu diesen Tricks werden oft die „Techniken“ des NLP (Neurolinguistisches Programmieren) gezählt. Die sind aber neutral wie alle „Werkzeuge“ – es ist der Geist der Anwendung ob sie schaden oder nutzen. Was mir in meiner NLP-Ausbildung in den 1980er Jahren besonders gefallen hat, waren die vielen Hinweise, wie man Gewalt in der Sprache erkennen und vermeiden kann – einfach indem man vorab überlegt, was das eigentliche Ziel dessen ist, was man in Worte kleidet. Ob man sich beispielsweise über jemand lustig machen will – was bereits eine Form von Gewalt darstellt – oder ernsthafte Kritik üben möchte – was eine andere Sprachform erfordert – oder ob man sich selbst als Besserwisser darstellen möchte. Ich beispielsweise möchte als Mahnerin verstanden werden.

Deswegen hat mir die heutige TV-Kolumne im Kurier nicht gefallen, in der die Angewohnheit des Innenministers, während Interviews kurzfristig die Augen zu schließen und auch bei bedrückenden Themen zu lächeln, als Selbstgefälligkeit interpretiert wurde. Auch Rudolf Kirchschläger hatte die Angewohnheit, die Augen zu schließen, wenn er sich auf seine Wortwahl konzentriert hat – aber er wurde deswegen nicht spöttisch apostrophiert. NLP-Geschulte wissen, dass der zu Boden gesenkte Blick oder auch das Schließen der Augen ein Zeichen dafür ist, dass der Redner nicht Vorprogrammiertes nachplappert sondern wirklich „denkfühlt“ – nämlich beides gleichzeitig, und das ist ein Zeichen ganzheitlicher psychischer Gesundheit. Und sie wissen auch, dass sich Lächeln einstellt, wenn man entspannt ist und nicht verbissen oder aggressiv. Das ist nämlich auch einer der Vorteile im NLP-Training: Man übt, sich in andere einzufühlen, indem man sich ihnen angleicht und aufpasst, nicht eigene Seelenanteile in andere hinein zu projizieren – denn wie Paul Watzlawick schon hinwies: Immer wenn man etwas von sich gibt, gibt man etwas von sich! (Außer man kontrolliert sich vorher.)