Halt! Gewalt!

Dass Handspiel in einem Fussballmatch ein schweres Foul ist, wissen wohl alle Männer. Immerhin ist das Fussballfeld ein Arbeitsplatz und es gelten dort wohlbekannte Regeln. Wer sich nicht an diese hält, hat die Folgen zu tragen – bis zum Ausschluss.

Auch die Schule ist ein Arbeitsplatz. Früher waren die Regeln dort autoritär “von oben herab” diktiert und Verstöße wurden sanktioniert. Auch ich fasste einmal 2 Stunden Karzer und die Betragensnote 3 aus, weil ich die Vorgehensweise eines Professors – unbeabsichtigt für ihn hörbar – als “Verbrechen am Kind” bezeichnet hatte. Heute gibt es stattdessen Schulvereinbarungen und mediatorische Konfliktlösungen, und das genügt – vorausgesetzt alle Beteiligten sind sinnverständig und daher kooperationsbereit. Es gibt aber Konflikte, die eignen sich nicht für Mediation. Beispielsweise jemand im Intimbereich anzufassen.

In den 1990er Jahren wurde ich oft in Schulen eingeladen um zum Thema Sexualität und/oder Gewalt zu unterrichten. In einer AHS in Wien Donaustadt brachten während solch einer Doppelstunde zu Ende die Mädchen – es waren Oberstufenschülerinnen – die Klage vor, sie trauten sich keine Röcke anzuziehen, weil ihnen die Burschen dann darunter griffen. Diese feixten: lauter selbsernannte Sieger. Ich schlug damals vor, dies zum Thema eines Elternabends zu machen und so geschah es auch. Dort aber ärgerten sich die wenigen anwesenden Väter, dafür aber lautstark, was der Blödsinn solle, es werde den Mädchen doch nichts “weg genommen” und sie sollten nicht so zimperlich sein.

“Körpern” könnte man – aus dem Blickwinkel der Täter – verharmlosend als bloße Kontaktversuche interpretieren, à la “Mal sehen, wie weit ich gehen kann” oder “was sie sich gefallen lässt”. Der verstorbene Altbischof von St. Pölten, Kurt Krenn, hätte wohl von “dummen Bubenstreichen “gesprochen. Das sind sie aber nicht!

Denn wenn ich mich als – die meisten Jahre – einziges Mädchen im Humanistischen Gymnasium in Wr. Neustadt erinnere (damals gab es noch keine Koedukation), dass damals “Heischen” modern war (d. h. die Burschen versuchten einem anderen unter Gejohle der Mitschüler unter das Gesäß zu fahren), so mag das quasi ein Initiationsritual am Weg zur “mutigen” Männlichkeit gewesen sein. Bei Mädchen machten sie so etwas nie. Da war Scheu und Sehnsucht vor. Das hat sich durch die sogenannte Sexuelle Revolution der späten 1960er Jahre und die zunehmende Brutalität in den Filmen gewandelt. Was man immer wieder sieht, halt man für normal – wenn es einem nicht selbst passiert, und wenn man es nicht bewusst kritisch auf Alltagstauglichkeit überprüft.

Augenblicklich werden viele Menschen endlich sensibel dafür, dass es kein Spaß ist, an primären oder sekundären Geschlechtsteilen berührt zu werden. Ich erinnere mich, dass vor gar nicht so langer Zeit ein FPÖ-Funktionär geklagt wurde, weil er – Pech! – einen Rechtsanwalt im Dunkel einer Bar in den Hoden gezwickt hatte, lustig lustig. Bei sich selbst verstehen Männer solche Über-Griffe nämlich sofort als das, was sie bedeuten: als Machtdemonstration, Einschüchterungsversuch und blanke Verachtung.

Machtmissbrauch ist ein Tabuthema – außer es betrifft Politiker oder Geistliche. Die befinden sich üblicherweise so weit weg im sozialen Kontakt, dass man unbeschadet auf sie projizieren kann, was man sich selbst nicht eingesteht: Dass man(n) sich möglicherweise nur dann in Ordnung findet, wenn sich jemand anderer nicht wehren kann und unterwerfen muss. Das beginnt beim Onkel, der zu lang, zu eng umarmt, beim Chef, der die Hand auf die Schulter legt und eskaliert, wenn eine Männerhorde Frauen terrorisiert – egal ob das Ausländer sind oder Einheimische. Sie verursachen Traumata und diese sind auch Körperverletzungen, das zeigt die computergestützte Gehirnforschung.