Die Tage rund um den 1. November bedeuten für viele Menschen jedes Jahr seelische Belastung: Nicht jedes Totengedenken ist friedvoll und voll der Liebe, sondern eher schmerzlich, oft durch unerwünschte Gefühle wie auch unsensible Fragen belastet – und der mediale Halloween-Wirbel kurz davor kann nur mit „transformierendem“ Humor bewältigt werden, so sehr kann er nerven.

Um Transformation geht es ja auch, wenn man mit seinen Gefühlsreaktionen rund um das Sterben fertig werden muss, wenn sie plötzlich jenseits der Routine von Blumen- und Kerzenkäufen und Gräberbesuchen Gedenk-Raum beanspruchen. Das beginnt mit den Pandemie-Todesfällen, mit der juristischen Regelung des sogenannten assistierten Suizids – wobei die sozialen Ursachen von Verzweiflung und Verlust von Lebensmut und was dagegen zu machen wäre, ignoriert werden! – und gipfelt im demonstrativen Regierungsgedenken an den fatalen Abend des 2. November des Vorjahres mit den ersten Terroropfern in Österreich. Ich habe die Berichterstattungen in den Abendnachrichten des ORF gesehen – und mich gefragt: Was macht das mit den Angehörigen der Toten?

Wollen die wirklich, dass diese schrecklichen Geschehnisse von Politikern öffentlich „in Szene gesetzt“ werden? Hilft das bei der Verarbeitung von Schmerz, Wut und Trauer?

Oder „inszenieren“ sich da nur diejenigen, die letztendlich für Prävention und Rehabilitation – und, weil das auch dazu gehört, für Psychotherapie traumatischer Beeinträchtigungen für alle auf Krankenschein – zuständig wären, in einer Umrahmung von Betroffenheit, um von allfälligen Beschuldigungen abzulenken?

Üblicherweise ließen und lassen trauernde Christen (bei Angehörigen anderer Konfessionen weiß ich es nicht) je nach den Angeboten ihrer religiösen Experten (diese Bezeichnung wurde im evangelische Theologiestudium vom Religionswissenschaft-Professor anempfohlen, um möglichst alle spirituellen Funktionsträger sämtlicher Glaubensgruppierungen umfassen zu können) quasi „Seelenmessen“ lesen, um gemeinsam mit ihren Nächsten die Rituale ihrer Religionen zur Bewältigung und Neuorientierung nutzen zu können. Neuerdings entsteht aber auch ein neuer Beruf („Markt“) von Personen, die hier – hoffentlich ohne „Helfersyndrom“ – hierarchiebefreite Dienstleistungen zur Erinnerungskultur anbieten. Ich finde das gut, weil im gemeinsamen innovativen Gestalten viel mehr praktisch und ortsungebunden agiert werden kann und weniger kreative oder mit freier Zeit gesegnete Personen Unterstützung und damit auch Beistand erhalten können.

Schockierende Erlebnisse (Mikro- oder Makro-Traumata) werden in individuell zeitlich unterschiedlich langen Phasen bewältigt (genau nachzulesen in meinem Buch „Komme was da wolle – Krisenkompetenz“): Erstarrung – Nicht-Wahrhaben-Wollen – Depression – Rachephase – Neubeginn. Beistand ist da schon hilfreich und oft auch dringend nötig. Aber Beistand heißt: Ich bin für Dich da und Du allein sagst mir an, was du von mir brauchst – und wann.

Genau deswegen ist es wichtig, sich selbst die eigenen Motive bewusst zu machen, weswegen man sich für die eine oder andere Aktion entscheidet. Das gilt besonders für Angehörige der Berufe, die gleichsam Eltern-Schutzfunktionen besitzen.