Eine Form der Gewalt, die vielfach dem Verschweigen anheimfällt, ist die finanzielle. So erinnere ich mich an einen Klienten aus den ersten Jahren meiner Beratungstätigkeit, einen hohen Staatsbeamten kurz vor seinem Pensionsantritt, den seine gleichaltrige Frau verlassen hatte. Er konnte nicht verstehen, weshalb. „Ich habe doch alles für sie getan!“ klagte er mir, „Ich bin einkaufen gegangen, ich habe gekocht, sogar ihre Nylonstrümpfe habe ich für sie gewaschen …“ „Und was hat sie tun dürfen?“ fragte ich ihn. Er sah mich verständnislos an. Er sah die Einschränkung nicht – für ihn war es sein besonderer Liebesbeweis, dass er ihr alles abgenommen hatte, womit seine Mutter ihre permanente Überlastung demonstriert hatte. Insgeheim wollte er aber auch sicher gehen, dass sie keine Eskapaden (dieser Begriff umfasst auch Ausbruchsversuche) wagen wollte. Damit hatte seine Mutter immer gedroht.

Jede Budgeterstellung, egal ob privat, unternehmerisch oder staatlich, zeigt Werthaltungen.

Eine Form von Gewalt besteht darin, das, was jemand anderem ein hoher Wert ist, demonstrativ nicht wertzuschätzen.

Üblicherweise wird zuerst immer an den Bildungs- bzw. Sozialausgaben gespart. Die Beschlüsse dazu werden ebenso üblicherweise „top down“ – von oben herab – gefällt. Es findet keine dialogische Kommunikation (im Sinne von Martin Buber und David Bohm) statt. Die wäre aber notwendig, um der Budgetklarheit auch Budgetakzeptanz zuzugesellen. In einer Partnerschaft wie auch in einer Kleinfamilie hieße das, dass alle (ab dem Alter von ca. 10 Jahren) in Planung und Auswahl eingebunden sind, ein Recht auf Gehör und Begründung haben und sich an vereinbarte Kommunikationsregeln halten. In einer Großfamilie braucht es nicht nur diese kommunikativen Kompetenzen sondern auch professionelle Problemlösungsmethoden und oft genug eine professionelle Konfliktmoderation. Je größer die Organisationsform, desto mehr Kompetenz ist  (irgendwo …) vorhanden – nur wird sie nicht immer aufgesucht und eingesetzt, denn: Die Grundprobleme sind Charaktereigenschaften (z. B. Überheblichkeit, Sturheit, Grundängste vor Veränderungen) und Geheimziele (z. B. Applaus, Dominanz, unbewusste Rachebestrebungen).

Es gilt leider als Schwäche, auf Durchsetzung egoistischer Ziele zu verzichten. Es gilt leider als Schwäche, kooperativ mitzudenken. Es gilt leider als Zeitverlust, dritte um vierte usf. Lösungen anzudenken, anstatt der üblichen zwei (Zustimmen oder bekämpfen) – das ist gut zu beobachten an der gegenwärtigen Konstellation im Parlament. Vor allem aber gilt es als dumm, sich nicht zu holen „was einem zusteht“ – auch wenn dieser Anspruch erst erfunden wird. Doch damit wird im gegenwärtigen „Zeitalter des Narzissmus“ nur noch mehr Gier und Neid genährt, und die sind beide Abkömmlinge der Wurzel der Gewalt, des Vergleichs.

Sich vertragen heißt Verträge schließen – und manchmal gehört dazu, einige Zeit lang keine neuen Verträge zu schließen, sondern sich die Zeit zum gemeinsamen kreativen Denken zu nehmen, um neue Möglichkeiten zu finden bzw. zu erfinden.