In einer Einrichtung der NÖ Lebenshilfe soll ein 17jähriger von Betreuungspersonen vorübergehend mit einer Strumpfhose gefesselt worden sein (https://derstandard.at/2000101730765/Behinderter-in-Niederoesterreich-gefesselt-Ermittlungen-gegen-Betreuer), war in den Medien zu lesen.  Ich nehme an, dass ich weiß, wo das geschehen ist. In der Nachbarschaft. Vermutlich waren die Betreuenden genervt, überfordert, ratlos. Und vermutlich nicht zum ersten Mal.

Und ich frage mich, weshalb niemand auf die Idee gekommen, fachkundige Supervision anzufordern – beispielsweise bei mir. Ich bin ja fast nebenan. Und ich weiß aus gut vierzigjähriger Supervisionstätigkeit, wie häufig es zu Fixierungen kommt (auch wenn sie verboten sind): Bei Selbst- oder Fremdgefährdungen, bei Demenzkranken, die nächtens ausbüxen, bei hochaggressiven Alkoholkranken … und ich weiß auch, dass den Betreuenden die nötige Ausbildung fehlt, anders als mit Blockierung des Bewegungsdrangs zu reagieren.

Ich gehöre zu den wenigen, die die genau dazu passende Ausbildung – „Psychoanalytische Sozialtherapie“, entwickelt von Harald Picker, Max Kompein und Klaus Rückert – absolviert und jahrelang „im Feld“ praktiziert haben und die noch voll im Beruf stehen. (Ich weiß nur noch von einem Kollegen im Burgenland.) Diese Ausbildung gab es in Wien in den späten 1970er bzw. 1980er Jahren, als die „Stadt des Kindes“ aufgelassen und in Therapeutische Wohngemeinschaften umgewandelt wurde. Deswegen sind die meisten in Einrichtungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen arbeitenden KollegInnen von damals – es waren vor allem Lehrkräfte, PsychologInnen, SozialpädagogInnen, StudentInnen … ich war vermutlich die einzige Juristin, auf Psychotherapie und Erwachsenenpädagogik habe ich erst danach „weitergelernt“ – schon im Ruhestand.

Im vorigen Jahr hatte mich nach ähnlichen Miss-Handlungen in Heimen der Büroleiter der zuständigen Landesrätin angefordert, ein darauf basierendes sozialtherapeutisches Fortbildungskonzept für alle, die egal in welcher Funktion in Heimen arbeiten, zu konzipieren und durchzuführen. Leider wurde eine Woche vor der Vertragsunterzeichnung von einer Jungpsychologin massiv gegen mich interveniert: Sie hätte schon ihren eigenen Ausbildungsverein engagiert und es würde daher Schemapädagogik unterrichtet. Offensichtlich dachte sie, es ginge bei der psychoanalytischen Sozialtherapie um eine Methode zur Behandlung der Heimbewohner. Das ist sie aber nicht. Sie ist eine Methode zur professionellen, weil interdisziplinären Selbststeuerung, für die Betreuenden, und unabhängig von deren Ausbildung, Tätigkeit und Hierarchiestufe nutzbar.

Was nämlich meist vergessen wird: In allen Bildungs-, Gesundheits- und Sozialberufen ist die Person des Betreuers, der Betreuerin das „Instrument“ der Wirksamkeit, daher muss dieses Instrument „gut gestimmt“ sein – durchaus vergleichbar einem Klavier. Deshalb muss man mit „Stimmungen“ umgehen können, und das lernt man in dieser Methode. Dann „fesselt“ der Klang der Stimme, der Blick, die Zuwendung – und nicht der Hände Paar.