Er habe die Kinder im Tod bei sich haben wollen, sagte der vermutliche Mörder seiner kleinen Kinder laut Tageszeitung Österreich vom 28.09.2021. Die gleiche Zeitung schrieb tags zuvor, das Mordmotiv wäre Hass auf die Kinder gewesen, da er an seiner biologischen Vaterschaft – es gibt auch eine soziale, und die muss sich jeder Elternteil erst erarbeiten! – zweifelte. Und: Sie seien ihm, der seine Miete nicht mehr zahlen konnte, „im Weg gestanden“. Seinen nachfolgenden Suizidversuch überlebte der Mann – ob er seine Tat laut den Zeitungsberichterstattungen angeblich angekündigt hatte, scheint mir erinnerlich, konnte aber keine Quelle der Nachricht mehr finden.
Wenn jemand versucht, Kinder oder andere Nahestehende mit in den Tod zu nehmen, wird oft von „erweitertem Suizid“ gesprochen. Damit wird aber die Wut und der Hass vernebelt, die für die Kraft zum Töten eines Menschen erforderlich sind und mit der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung des Schrittes zur Selbsttötung vermischt – quasi als Entschuldigung. Drei Kinder – siebenjährige Zwillinge und einen Vierjährigen – zu Tode zu bringen, schreibt die Tageszeitung Österreich, bewirke einen längeren Todeskampf und brauche mindestens eine halbe Stunde. Ich ergänze: und Kaltblütigkeit.
Es braucht dringend ein neues Wort, das das Hauptmotiv solcher Vernichtungsaktionen umschreibt. Ich schlage „Rachetötung“ vor. Denn wie Hans-Ulrich Krause in seinem Buch „Kinderspiel mit dem Tod“ aufgezeigt hat, wird aus Rache an denjenigen, die einen nicht achten, nicht lieben, einem nicht beistehen, genau dasjenige vernichtet, was ihnen offensichtlich mehr bedeutet – oft das Auto, ein Haustier oder sogar die gemeinsamen Kinder.
Üblicherweise gehen solchen Untaten – ich vermeide das Wort Verzweiflungstaten, denn das fällt bereits unter die nachträgliche juristische Rechtfertigung – tagelange Stimmungsschwankungen und Grübeleien voraus – und genau diese „Gewitterstimmung im Kopf“ müsste sofort in eine Beratungsstelle führen (wo man üblicherweise auch anonym bleiben kann). Wenn es plötzlich aus dem Körper zu eitern beginnt, sucht man ja auch schleunigst einen Arzt oder eine Ärztin auf – und genau so sollte es bei „Seeleneiter“ geschehen.
Deswegen fordere ich unentwegt, dass zum Thema mentale Gesundheit bereits im Schulunterricht Wissen vermittelt werden muss: Wann und wo wird im „state of the art“ der aktuellen Wissenschaft, d. h. kunstgerecht über die aktuelle Krise hinweggeholfen.
Seelengift – erkennbar an Zwangsgedanken oder Empfindungen „wie wenn man platzen würde“ – muss „aus-gedrückt“ werden. Dazu helfen alle Formen von Kunst (inklusive der Poesie der „heiligen Schriften“), oft auch „die Natur“ (Waldtherapie!) oder „heilige Räume“ – aber auch bloßes Reden.