Sabine Rinberger, die Direktorin des Karl Valentin Musäums (sic!), ist ebenso empört über die Verleihung des Karl-Valentin-Ordens an Andreas Gabalier wie Erben-Vertreter Gunter Fette, „Nachlassverwalter der Münchner Komikerfamilie“ (wörtlich Ronald Pohl auf https://derstandard.at/2000097281051/Karl-Valentin-Orden-fuer-Andreas-Gabalier-Ein-schlechter-Witz) – ich hätte halt formuliert „Familie des Komikers“ – aber vielleicht war es Absicht? (Und war Valentin Komiker? Was für eine unzulängliche Namensgebung! Ich sehe ihn jedenfalls nicht so – für mich ist er viel mehr, wenn ich aktuell in meiner Bibliothek die „Valentiniaden“, Hugendubel Verlag 1940, oder „Die Raubritter von München. Szenen und Dialoge“, dtv 1963, nachlese. Kurt Tucholsky nannte ihn „Linksdenker“.)

Erinnern wir uns: Mit dem kommunikationswissenschaftlichen Axiom „Der Empfänger definiert die Botschaft“ (siehe mein „Brief“ Nr. 91 / nachzulesen auf  www.haltgewalt.at)  hatte der damals noch designierte Tiroler SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer versucht, die Verantwortung für seine sexistischen Sager an sein Publikum abzuschieben – allerdings war seine Aussage eindeutig. Bei Andreas Gabalier bin ich mir da nicht so sicher … immerhin gehört er (zumindest für mich) zu den Künstlern, die in Maskerade auftreten.

Je mehr Gabalier sich optisch aber auch verbal in Richtung Karikatur eines Alpenromeos „verkleidet“, desto mehr reiht er sich für mich in die Riege der Kunstfiguren wie Les Patterson, Mr. Bean, Sacha Baron Cohen (was haben sich manche Landsleute über seinen Österreicher „Brüno“ aufgeregt, die gleichen, die sich zuvor über seinen kasachischen „Borat“ zerwuzelt haben!) ein, wie auch Kottan samt Team und nicht zu vergessen unser hassgeliebter Herrn Karl. (Von Dame Edna, Lilo Wanders oder Conchita ganz zu schweigen.) Dazu noch Hape Kerkeling, der als Horst Schlämmer oder in anderen Masken gelegentlich im wirklichen Leben auftrat oder tritt (wie Helmut Qualtinger es ja auch tat.) Das alles sind Künstler, halt besondere!

Karl Valentin trat ja auch nicht ohne eine „Maske“ auf … und fast jeder Mensch tut das, zumindest gelegentlich, wenn er oder sie sich „rollengemäß“ verhält. Ich erinnere mich noch an Fotos von Andreas Gabalier, als er noch eine „Römer-Frisur“ hatte (Haare kurz ins Gesicht gekämmt) und, er seine Haare schon „aufgestellt“ hatte, bei Interviews noch recht unbeholfen und verlegen war. Da war er in seiner „Rolle“ noch nicht so routiniert wie etwa Hansi Hinterseer … der macht ja auch auf „Liebhaber aus den Alpen“ – aber halt auf streichelzahm und „so viel lieb“ (weil: „auf der Alm da gibt‘s ka Sünd“!). Gabalier legt seine Rolle viel „uriger“ an – steirisch halt. Man(n) muss sich ja unterscheiden … Von dem Grazer Soziologieprofessor Manfred Prisching gibt es übrigens ein feines Buch: „Das Selbst – Die Maske – Der Bluff“.

Dankenswerter Weise hat Ronald Pohl seinem Text Zitate von Gabalier gegenübergestellt. Da kann sich jedermensch ein eigenes Urteil bilden … ich jedenfalls sehe darin Parodie vom Feinsten. Leider gibt es keinen Robert Neumann-Preis (Autor der wunderbaren Parodienbände „Mit fremden Federn“). Ich meine: Gabalier parodiert seine Selbstinszenierung selbst, und den Leuten gefällt‘s. Er wird in die Musikgeschichte eingehen – so wie Elvis Presley, der in den 1950er Jahren als Hüftwackler (“Elvis the pelvis“) abgewertet wurde oder Falco, dessen Text- und Inszenierungskunst heute bereits unterrichtet wird. Vermutlich liegt es nicht am Neid auf seinen kommerziellen Erfolg – wie sich Gabalier  gegen Kritik an seiner Person verteidigte – sondern daran, dass er (wie auch Presley und Falco) ungezähmten Sex demonstrieren.