2018 ist ein Gedenkjahr – erinnern wir uns also auch an 1998: Damals versicherte US-Präsident Bill Clinton, als er sich den peinlichen Befragungen zu Monica Lewinsky stellen musste, treuherzig, er habe „nie eine sexuelle Beziehung zu dieser Frau“ gehabt. (https://www.youtube.com/watch?v=JUDpdVXeMw)
Er definierte offensichtlich nur den kompletten Zeugungsakt als „sexuelle Beziehung“.
Sexuologen hingegen definieren jeden Austausch von Körperflüssigkeiten als Sexualakt; der umfasst jedoch nicht unbedingt eine sexuelle „Beziehung“.
Eine Beziehung ist auf emotionalen Austausch angelegt – allerdings nicht unbedingt auf einen „symmetrischen“. Deswegen spricht man ja auch von „schiefen“ Beziehungen – von oben nach unten, von unten nach oben. In meinem Buch „Lieben“ (Verlag Orac, ab 1. Oktober im Buchhandel) beschäftige ich mich ausführlich damit.
Gewaltbeziehungen sind asymmetrisch – aber es sind Beziehungen. Sie müssen nicht unbedingt sexuell sein – sie können aber hocherotisch sein, und viele der „Praktizierenden“ sind sich dessen gar nicht bewusst. Ich denke da an Sado-Maso-Spiele wie sie in manchen Partnerschaften an der Tagesordnung sind und Sätze wie „Ach wie bist du schön, wenn du dich ärgerst!“ beinhalten …
Solche Bewertungen sind subjektiv: Sie hängen vom Empfinden der Bewertenden ab. Versucht man sie zu objektivieren – wie beispielsweise juristisch oder psychologisch oder aus sonst einem wissenschaftlichen Blickwinkel – zeigt sich dahinter „kollektiv vereinheitlichte Subjektivität“: Wir, die Gesellschaft, haben die subjektive Bewertung eines Opinion Leaders als „allgemein gültig“ übernommen – zumindest solange bis sie als überholt gilt. Denn Gültigkeiten können sich von Zeit zu Zeit und Ort zu Ort anders darstellen oder auch ändern.
Seit den 1980er Jahren zeigt sich in Österreich, dass immer mehr Frauen gegen traditionelle Verhaltensdefinitionen und Rollenzuschreibungen protestieren: Beispielsweise gegen die vorher übliche Definition des „sexualisierten“ Verhaltens von Kindern und Jugendlichen als Zeichen ihrer – negativ bewertet – moralischen Verderbtheit (und Indikation für Zwangserziehungsmaßnahmen) oder – doppeldeutig „anerkennend“ – „Frühreife“. Tatsächlich sieht man das heute in Fachkreisen als Symptom einer erlittenen Traumatisierung. (Als „sexualisiert“ gilt ein altersgemäß unangemessenes Verhalten mit aufdringlich sexueller Färbung: Etwa wenn ein Volksschüler einem erwachsenen Mann in den Schritt greift und „Griaß di!“ sagt. Befragt zu diesem Fall klassifizierte ich diesen „Übergriff“ als angelerntes Benehmen, vermutlich als vorgeblich lustiges „Spiel“ – wieder eine gezielte Definition! – zwischen einem Erwachsenen und dem von ihm angeleiteten Buben, das dieser auf diese Weise, wohl gegen den Willen des unbekannten „Spielleiters“, öffentlich gemacht hatte.)
Gegenwärtig kommen wieder zahllose Übergriffe von Geistlichen auf ihnen anvertraute Kinder und Jugendliche ans Tageslicht – und damit auch die Definitionen, mit denen diese Grenzüberschreitungen in den kirchlichen Untersuchungsunterlagen „definiert“ wurden: „unangemessene Kontakte“. (Salzburger Nachrichten, 16.08.2018, S. 6)