Vermutlich fühlt sich Georg Dornauer, ohne Frauenstimmen zum SPÖ-Vorsitzenden gewählt, als quasi Tiroler Freiheitsheld des neuen Stils – er kämpft halt nicht gegen napoleonische Revieransprüche sondern gegen Frauen, die sich gegen geistige Revierhoheit mancher Männer wehren, und er wehrt sich genau damit: Er beansprucht die geistige Definitionsmacht darüber, was Sexismus sei.
„Sexismus entsteht immer beim Empfänger“ doziert der – man glaubt es kaum – promovierte Politikwissenschaftler (Dissertation „Ursachen und Hintergründe für die Hegemonie der ÖVP in Tirol“) im Versuch, seine eigene Hegemonie zu verfestigen – frei nach dem Buchtitel der österreichischen Sozialwissenschaftlerinnen Cheryl Benard und Edit Schlaffer „Viel erlebt und nichts begriffen: Die Männer und die Frauenbewegung“ (Rowohlt). Offensichtlich hat er sich weder im Studium noch privat mit Vorurteilsforschung und Diskriminierungsstrategien wie Rassismus, Sexismus, Ageismus beschäftigt. Ewiggestrig könnte man sagen.
Nun kann man durchaus vermuten, dass er auf die primitiven Jagdinstinkte seiner Tiroler Genossen zielt, wenn er sich in einen Kreis – bildhafter Vergleich! – schenkelklopfernder Biertischfürsten einreiht. Dass er damit seine männlichen Landsleute auf dieses Niveau herab einschätzt, ist aus meiner Sicht auch eine Form von Sexismus – und logischerweise liegt diese Bewertung auch im Auge des Betrachters, nämlich in meinem als multidisziplinäre Sozialwissenschaftlerin: Genau so wie der betrachtende Arzt Krankheiten diagnostiziert, stellen wir Psychotherapeuten oder Pädagogen (männliche Form, damit sich Herr Dornauer mit der Akzeptanz leichter tut) Störungen fest, und wenn man diese nicht aufzeigt, vor allem aber benennt, werden sie nicht differenziert.
Johanna Dohnal – deren 80. Geburtstag wir gerne kommenden Februar mit ihr gefeiert hätten, sie starb 2010 – nannte dies „Testosteronvergiftung“.
Ich nenne es wohlwollend soziale und sprachliche Inkompetenz – andernfalls müsste ich es als Hohn übelster Sorte bezeichnen.
Herr Dornauer kann oder will nicht unterscheiden: Das „Sender-Empfänger-Modell“ in der Kommunikationswissenschaft (von Claude S. Shannon und Warren Weaver) stammt aus der Forschung zur Verbesserung der telefonischen Kommunikation (Stichwort Verzerrungen durch „Rauschen“). Das Ausbleiben der erwünschten Reaktion beim Empfänger deutet darauf hin, dass der Sender überprüft werden muss. In den 1940er Jahren wurde es im Zuge der US-Kriegsstrategien entwickelt, heute gehört es zum Standard aller Kommunikationstrainings (daher auch meiner) und eigentlich bereits zur Allgemeinbildung. Es ist nicht als Waffe gegen andere Sichtweisen als die eigene gedacht – aber leider kann ja alles zur Waffe umfunktioniert werden, denn jede Waffe wird letztlich in Gedanken (d. h. neuronalen Netzwerken) gefunden oder erfunden.
Aber vielleicht ist Dornauer das Axiom (!, nicht Dogma!) „Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung“ (Paul Watzlawick, 1921–2007) mit dem Aphorismus „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ (Thukydides, 455–396 v. Chr.) durcheinander gekommen … wie das Unbewusste halt so spielt. Haben wir ja schon bei seinen Horizontal-Assoziationen beobachten (d. h. betrachten aus neutraler Position) können. Ein Paar Stunden Psychoanalyse wären vielleicht nicht schlecht …
Mein Lieblingssprichwort fällt mir wieder ein: Ein Dieb sieht auch bei einem Heiligen nur die Taschen.