In „Brief“ Nr. 35 habe ich den Begriff Mem, Mehrzahl Meme, erklärt: Begriff- oder Wortschöpfungen, die sich wie Gene im Genpool in Windeseile im „Mempool“ von Gehirn zu Gehirn fortpflanzen. Werbung und Propaganda lebt davon, solche „Ohrenschlieferln“ (und ebenso optische oder gestische Marken) zu kreieren. Auch im individuellen Alltag verankern sich Kose- wie auch Schimpfworte, deswegen frage ich oft meine KlientInnen, „Welches Wort wollen Sie nie bzw. immer wieder hören?“, denn auf diese Weise findet man relativ schnell Zugang zu den dazugehörenden Gefühlen wie auch darunter liegenden alten Verletzungen – oder aber heilenden Situationen.

Wem es gelingt, anerkennende Begeisterung von Journalisten durch solch eine Worterfindungen zu erregen, kann der oftmaligen Zitierung sicher sein – wie Herbert Kickl mit seiner paradoxen Sprach-Kreation „kalte, nüchterne Machtbesoffenheit“. Nüchtern und besoffen? Wie geht denn das? Weiterlesen

Wenn man möchte, dass jemand Fehler macht, bewährt sich die Methode, der Person Stress zu bereiten – ihr beispielsweise Fehler vorzuwerfen, ihre Entscheidungen in Frage zu stellen bzw. ihr etwas anzuschaffen und sie unter Zeitdruck zu setzen. Diese drei absoluten Stressfallen heißen: „Be perfect“ – sei fehlerlos, „please me“ – sei so, wie ich will, dass du bist, damit ich zufrieden bin (was aber außerhalb der eigenen Macht liegt!) und „hurry up“ – tummel dich. Fast jeder Mensch kennt solche Befehle aus der Kindheit , und dazu noch viele andere wie „Streng dich an!“, „Sei stark!“, „Lass dir nichts gefallen!“ – und paradox „Gib nach!“

Eric Berne, der Begründer der psychotherapeutischen Schule der Transaktionsanalyse, unterscheidet „Spiele“ im Sinne von „games“ gegenüber von „power plays“, d. s. Machtspiele. Dazu kann man all die oben angeführten „Befehls-Techniken“ zählen. Überhaupt ist es interessant zu beobachten, wie oft Menschen in Befehls-Sätzen sprechen und das von ihren AdressatInnen gar nicht wahrgenommen geschweigedenn verbeten wird – so gewöhnt sind sie offenbar daran.

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Menschen unterscheiden sich durch ihren Umgang mit der Zeit – und zwar nicht nur deswegen, weil und wie sie mehr oder weniger erfolgreich auf Geschwindigkeit trainiert wurden, sondern auch durch das Ergebnis ihrer biologischen wie auch sozialen Erbfaktoren: Es hängt von der Atmung und diese wiederum vom Körperbau ab, wie sehr jemand „fühlt“ – denn fühlen braucht Zeit, das geht nicht schnell – oder im schnellen Überblick „vernünftig“, d. h. ohne durch Gefühle abgelenkt zu werden, handelt. Letzteres Verhalten wird in Action-Filmen vorgeführt und von all denen, die sich mit den kämpfenden Filmhelden identifizieren (oder daraufhin trainiert wurden) nachgeahmt. (Und im Kampf sind Gefühle ja auch unangebracht.)

Menschen, die Bauchgefühl (Intuition) und Verstand zu balancieren wissen, sich daher Zeit zum Bedenken nehmen, erscheinen den Ungeduldigen oft unsicher – dabei sind sie aber bedächtig. (Da steckt mit der Silbe „dächt“ bzw. „dacht“ der Hinweis auf besonnenes, d. h. sinnhaftes Denken drin.) Will man also jemand als „unsicher“ definieren, braucht man nur herumnörgeln, dass er nicht schnell – d. h. im Umkehrschluss unter Zeitdruck unbedacht, nämlich nicht ausreichend bedacht – handelt.

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Zu den klassischen NLP-Methoden gehört die Arbeit mit Zeitlinien.

Die meisten Menschen sind darauf hin erzogen worden, kausal zu denken: Was war DIE Ursache für eine bestimmte Folge, von der aus bestimmt wird, wer „schuld“ ist, d. h. bestraft werden muss bzw. wer Schadenersatz zu leisten hat. Das hat vor allem damit zu tun, dass Eltern bei Missgeschicken schnell reagieren – und unter Zeitdruck neigt man dazu, die eigenen Kindheitserfahrungen zu wiederholen. Auf diesem „linearen“ Denken beruhen viele Strafbestimmungen aber auch Versicherungskonditionen etc. – und vor allem die üblichen Selbstrechtfertigungen: Es gibt immer jemand, dem man die Schuld in die Schuhe schieben kann. Die Frage nach dem eigenen Anteil bleibt dabei ausgespart …

Die Alternative dazu bildet das „komplexe“ Denken, bei dem fast gleichzeitig an alle Einflussfaktoren – also auch seelische oder mentale, nicht nur die physischen – miteinbezogen werden. In der therapeutischen Gesprächsführung wird dann beispielsweise „gedehnt“ formuliert: „Was könnte denn noch mitbestimmend gewesen sein?“ (und nicht schnell „verhört“ und damit die Person in Stress gebracht – was meist dazu führt, dass sie das antwortet, von dem sie glaubt, dass es beim Gegenüber „gut ankommt“). Um diese Art des komplexen (kybernetischen, systemischen) Denkens einzuüben, hilft es, ein Tortendiagramm zu zeichnen und in die einzelnen Tortensegmente die phantasierten Anteile hineinzuschreiben. (Es dürfen auch welche davon frei bleiben). Damit kann man auch Vergangenheit (Erfahrungen, Dynamiken usw.) und Zukunft (Wünsche, Ängste usw.) miteinbeziehen.

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In den Polittrainings der 1970er Jahre gab es seitdem Johanna Dohnal Wiener Frauensekretärin geworden war, Frauenselbstbewussseinstraining. (Ich habe damals auch die zugehörige Ausbildung zur Trainerin gemacht – vielleicht sollte ich diese Kurse in meinem Seminarzentrum in Matzen wieder anbieten?)

Ein wesentlicher Inhalt dabei war, dass wir nicht „man“ sagen sollten, sondern „ich“.

Der berühmte französische Soziologe und Sozialphilosoph Pierre Bourdieu (1930–2002) schrieb später (in „Anatomie des politischen Skandals“, herausgegeben von Rolf Ebbighausen und Sighard Neckel 1989): „Man müßte eine Sprachanalyse dieses Doppelspiels (oder Doppelich) vornehmen, wie auch rhetorische Strategien – insbesondere des steten Wechsels vom Ich zum Wir – in denen die strukturelle ,Falschheit‘ der Wortführer zum Ausdruck kommt. Auf der Ebene des Symbolischen schlagen sich Gewaltstreiche in Gestalt von Formverletzungen nieder – erst wenn man sich dessen bewusst wird, kann man Sprachanalyse zu einem Instrument der politischen Kritik und die Rhetorik zu einer Wissenschaft von den symbolischen Machtinstanzen machen. Wann immer der Apparatschik symbolische Schläge austeilen will, wechselt er vom Ich zum Wir. Statt ,Ich meine, dass ihr Soziologen die Arbeiter untersuchen solltet‘, sagt er dann: ,Wir meinen, dass …‘, oder ,Das gesellschaftliche Bedürfnis fordert …‘. Das Ich des Bevollmächtigten, sein partikulares Interesse hat sich hinter dem proklamierten Interesse der Gruppe zu verstecken, der Bevollmächtigte hat ,sein besonderes Interesse‘, wie es bei Marx heißt, ,zu einem allgemeinen zu machen‘, um es auf diese Weise als Interesse der Gruppe anerkennen zu lassen.“ (Seite 46, Fett gesetzte Worte sind  im Original kursiv hervorgehoben).

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Lange bevor NLP in den 1980er Jahren in Österreich bekannt wurde, hatten findige Parteitrainer bestimmte Taktiken selbst herausgefunden – aus welchen Quellen sie fündig geworden waren, wurde nicht gesagt. So erinnere ich mich gut an die allerersten Schulungen, die ich in ab 1970 besuchte, in denen der damalige „Parteipsychologe“ der SPÖ Dr. Milo Beran uns eintrichterte, in welcher Sprachform wir mit Menschen unterschiedlicher Milieus reden sollten: Mit Ungebildeten im Soziologendeutsch, mit Hochgebildeten möglichst derb bis ordinär. Und wir sollten in allen Gesprächen womöglich immer „Wir von der SPÖ“ einbauen – Betonung auf SPÖ – damit sich der Parteiname im Gedächtnis verankere.

„Wir von der SPÖ“ sollte zum „Mem“ werden und einen Sympathie-Sog erzeugen.

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Nach einer berufsbedingt längeren Brief-Schreib-Pause sinniere ich seit Freitag, dem 17. (für die FPÖ wohl dem Pseudo-13.), über die vielen Erscheinungsformen von Gewalt, wie sie in der medialen Berichterstattung deutlich wird; Gewalt schreibe ich hier entsprechend der Definition des norwegischen Mathematikers, Politologen und Soziologen Johan Galtung, * 1930, Gründer des ersten Instituts für Friedensforschung in Europa und Träger des Alternativen Nobelpreis‘, als „feindseliger Akt, der das Potenzial des / der Anderen schädigt“.

Diesen „Anderen“ sehe ich nach reiflicher Überlegung nicht in dem einen oder anderen Politiker, so unangenehm und zukunftsschädigend das derzeitige Erlebenmüssen auch sein mag, sondern in uns allen – der Wählerschaft wie überhaupt der österreichischen Bevölkerung. Ich habe mich daher entschlossen, in mehreren aufeinander folgenden meiner „Briefe“ einige der Sprachmanipulationen aufzuzeigen, die mir in den letzten Tagen als besonders unfair und absichtlich verdummend aufgefallen sind.

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Alles, was wir „können“, haben wir „gelernt“ – und damit meine ich, wir haben Wahrnehmungs- und Handlungsnervenzellen gebildet und in unseren Neurosignaturen eingespeichert. Ausgangspunkt sind primär immer Vor-Bilder, mit denen man sich unbewusst identifiziert, weil sie Macht bzw. Überlegenheit signalisieren. Dazu genügt bereits, sich die überreich vorhandenen Modelle aus Film und Fernsehen „rein zu ziehen“, eine Art Mentaltraining zum Kleinkriminellen.

Nun kam es in einer Wiener HTL zu einem psychischen wie letztlich physischen Machtkampf zwischen einem offensichtlich körperlich unterlegenen Lehrer (der als Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft zum Außenseiter im Lehrkörper prädistiniert erscheint) und starken jungen Männern, die sich nicht „schulmeistern“ lassen wollen. Die Tageszeitungen sind voll von den Videos, die die Jugendlichen aufgenommen und auf Youtube verbreitet haben. Die elektronischen Medien für jederman machen so etwas möglich, und sind einerseits als Dokumentation möglicher Schutz (Stichwort Bodycams in der Exekutive), andererseits aber auch eine Waffe, mit der unbeliebte „Gegnerschaft“ bloßgestellt, beschämt, tyrannisiert, gestalkt und psychisch fertig gemacht werden kann – so wie das ja auch Medienkampagnen können.

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Seit vorigem Jahr habe ich mein nächstes (61!) Buch für Kremayr & Scheriau in Arbeit – und es sollte „Haltung“ heißen: Ich wollte darin zeigen, wie man auch unter schwierigsten Bedingungen seine Würde ohne in die Fallen des selbstgefälligen Märtyrertums oder der camouflierten Rache zu stolpern behält. Als ich dann im Jänner wahrnahm, dass ein halbes Jahr früher ein Buch gleichen Titels erscheinen würde und der Autor der Alt-Vizekanzler sein würde, meditierte ich hinsichtlich eines neuen Titels: „Aufrichten!“

Nachdem ich dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar des Mitterlehner-Buches zugesandt bekam, war ich logischerweise sehr neugierig auf den Inhalt – und erleichtert: Haltung ist etwas Statisches, Aufrichten etwas Dynamisches. Und wie schon Charles Darwin mit dem Schlagwort vom „survival of the fittest“ aufzeigte, überleben diejenigen, die sich anpassen können, und das ohne ihr Rückgrat zu verbiegen. Ich war aber auch enttäuscht – aber das zählt wohl zu meiner „Berufsdeformation“: Ich hatte gefühlstiefe Reflexion erwartet, Betonung auf tief, quasi auch als Hinweis auf eigene Motive, Visionen, Verzichte etc. Stattdessen beschreiben die ersten ein Drittel Seiten der 200 eine ganz normal langweilige Schul- und Studienzeit, wo doch gerade die inhaltliche Ausrichtung als ÖH-Funktionär interessant gewesen wäre. Mitterlehner bleibt verhalten: Wenn er schreibt „wurde mit der Heimleitung gestritten“ (S. 56), so enttarnt die Passivform, dass er nicht wirklich aktiv war. Diese Passivität zeigt sich immer wieder wie beispielsweise bei seinen Erklärungsversuchen, wieso sein „Ankommen“ im Parlament so lange gedauert habe – außer wenn er bekennt, „ich berücksichtigte auch einige Male nicht, was mir mein erster Chef Trauner eigentlich eingetrichtert hatte: Kritik ja, aber nur intern und nicht vor Zuhörern“ (S. 81). Nun, mit einem Jahr Zeitverzögerung legt er nun sein „Credo“ vor – aber wie unterscheidet sich dieses doch von dem Andreas Khols!

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In einer Einrichtung der NÖ Lebenshilfe soll ein 17jähriger von Betreuungspersonen vorübergehend mit einer Strumpfhose gefesselt worden sein (https://derstandard.at/2000101730765/Behinderter-in-Niederoesterreich-gefesselt-Ermittlungen-gegen-Betreuer), war in den Medien zu lesen.  Ich nehme an, dass ich weiß, wo das geschehen ist. In der Nachbarschaft. Vermutlich waren die Betreuenden genervt, überfordert, ratlos. Und vermutlich nicht zum ersten Mal.

Und ich frage mich, weshalb niemand auf die Idee gekommen, fachkundige Supervision anzufordern – beispielsweise bei mir. Ich bin ja fast nebenan. Und ich weiß aus gut vierzigjähriger Supervisionstätigkeit, wie häufig es zu Fixierungen kommt (auch wenn sie verboten sind): Bei Selbst- oder Fremdgefährdungen, bei Demenzkranken, die nächtens ausbüxen, bei hochaggressiven Alkoholkranken … und ich weiß auch, dass den Betreuenden die nötige Ausbildung fehlt, anders als mit Blockierung des Bewegungsdrangs zu reagieren.

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