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Dichtkunst?
Spiegel-Journalist Claas Relotius – heißt er wirklich so? Zweifel sind angebracht … – soll nicht nur Interviews und Reportagen mehr oder weniger gefälscht haben, sondern auch Leser zu Spenden (angeblich für türkische Waisenkinder) aufgerufen haben, und zwar auf sein Privatkonto, aber das hatte er logischerweise nicht ausgewiesen.
Tags darauf kommt ans Tageslicht, dass Österreichs Paradedichter Robert Menasse „lange Passagen“, die von Walter Hallstein, dem ersten Kommissionsvorsitzenden der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, d. i. die Vorläuferorganisation der EU), zu einem pointierten Pseudozitat „verdichtet“ hat (Beide Meldungen: Der Standard, 24./25./26.12.2018, S.20). Menasse, Träger des Deutschen Buchpreis‘ 2017, verteidigt seine „Provokation“, „Fiktives als Faktisches auszugeben“ (Kurier, 24.12.2018, S. 8) damit, dass er ja nur „eine Autorität zu seinem Kronzeugen erklärt habe, der nichts dagegen gehabt hätte“ – woher will er das wissen? – und dass Dichter dürften, was Wissenschaftlern und Journalisten verwehrt sei (diesen letzten Satzteil habe ich „verdichtet“.)
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Dringender Schulungsbedarf des BFA
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) begründet einen negativen Asylbescheid damit, die „behauptete“ Ohnmacht einer vergewaltigten Frau sei unglaubwürdig weil sie auch als „Schutz vor weiteren detaillierten Fragen zum tatsächlichen Geschehen abgeleitet werden kann“. (https://orf.at/stories/3105338/)
Abgesehen davon, dass vergewaltigte Frauen nur von eigens für die Arbeit mit traumatisierten Menschen kompetenten Angehörigen der psychotherapeutischen Berufe befragt werden sollten – weil bei allen anderen Berufsangehörigen die Gefahr der Retraumatisierung oder einer zusätzlichen Multitraumatisierung besteht – enttarnt diese Formulierung die komplette Ignoranz der beurteilenden Beamtenschaft, die offensichtlich noch nie etwas vom Unterschied dessen, was Laien unter Ohnmacht verstehen, und „Dissoziation“, das ist der zeitweise Verlust des ansprechbaren und aktionsfähigen Bewusstseins im traumatisierenden Erleben, gehört bzw. verstanden haben.
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Dreifachmord in Bockfließ
Interview für NÖN 51 (19.12.2018)
(stark gekürzt nur in der NÖN Mistelbach erschienen)
NÖN: Dass ein 54-jähriger seine sehr alten Eltern ermordet mutet doch seltsam an, immerhin war der Vater 92, die Stiefmutter 87 jahre alt. Ist das nicht außergewöhnlich?
Rotraud A. Perner: Bei jedem Mord findet man einen Kipp-Punkt – entweder schon länger vorher (lange aufgestaute Frustwut oder Verzweiflung) oder akut bei massiven Attacken auf das Selbstwertgefühl (das kann jedem passieren! Bei manchen dauert es halt sehr lange und bei anderen gar nicht).
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Menschenverachtung
Ein Freund sagte in Hinblick auf die seinerzeitige „Aktion Mitmensch“, eigentlich sei die Wortschöpfung Mitmensch ein verdummender Pleonasmus (das bedeutet Bezeichnungsüberfluss wie etwa „tote Leiche“), denn jeder Mensch sei ja Mitmensch in der gesamten Menschheit.
Ähnliches könnte man über die Formulierung vom „menschenverachtenden Denken“ (profil 50/ 10. 12. 2018, S. 28) konstatieren, wie es derzeit in den politischen Konfrontationen häufig herbeizitiert wird: Derjenige (Frauen mitgemeint), der dieses Wort dem jeweiligen Gegenüber „an den Kopf wirft“ oder hinterrücks anheftet, befleißigt sich derselben Methode – es wird nicht sachlich kritisiert, sondern die Person wird in ihrer Gedankenfreiheit verachtet.
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Das Auge des Betrachters
Vermutlich fühlt sich Georg Dornauer, ohne Frauenstimmen zum SPÖ-Vorsitzenden gewählt, als quasi Tiroler Freiheitsheld des neuen Stils – er kämpft halt nicht gegen napoleonische Revieransprüche sondern gegen Frauen, die sich gegen geistige Revierhoheit mancher Männer wehren, und er wehrt sich genau damit: Er beansprucht die geistige Definitionsmacht darüber, was Sexismus sei.
„Sexismus entsteht immer beim Empfänger“ doziert der – man glaubt es kaum – promovierte Politikwissenschaftler (Dissertation „Ursachen und Hintergründe für die Hegemonie der ÖVP in Tirol“) im Versuch, seine eigene Hegemonie zu verfestigen – frei nach dem Buchtitel der österreichischen Sozialwissenschaftlerinnen Cheryl Benard und Edit Schlaffer „Viel erlebt und nichts begriffen: Die Männer und die Frauenbewegung“ (Rowohlt). Offensichtlich hat er sich weder im Studium noch privat mit Vorurteilsforschung und Diskriminierungsstrategien wie Rassismus, Sexismus, Ageismus beschäftigt. Ewiggestrig könnte man sagen.
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Problemjugendliche
Damit kein Missverständnis entsteht: Ich meine mit diesem Leitwort Jugendliche, die Probleme HABEN – nicht aber, dass sie welche machen.
Wenn es jemandem gut geht, ist er oder sie friedlich, weil seine bzw. ihre Grundbedürfnisse befriedigt sind.
Nur aus einem Krisengebiet „weg“ zu sein, entspricht noch lange nicht dem Grundbedürfnis nach Sicherheit, denn der Mensch besteht nicht nur aus einem Körper aus Knochen und Muskeln etc., sondern auch aus Nerven, Bindegewebe und inneren Organen und die reagieren primär, also bevor sich der Gesamtkörper in (Kampf- oder Flucht-) Bewegung setzt. Sicherheit bedeutet, sich geborgen, beschützt und nicht angefeindet zu fühlen.
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Vertrumpung
„Interessanter und wahrscheinlich auch produktiver ist der Versuch, jene zu verstehen, die Trump und seine europäischen Ideologie-Kumpels überhaupt ermöglichen.“, schreibt profil-Edelfeder Angelika Hager in ihrer nunmehrigen Safari durch die männliche Psyche, „Kerls!“, und führt diskret aus, „die sich damit auch ein Zipfelchen ihrer verloren gegangenen ,maskulinen Energie‘ zurückerobern wollen.“ Aus vielen Recherchen und Interviews mit Experten und Expertinnen weiß sie: „Frauenverachtung, Fusel und Hass auf alles Fremde und Fremdartige dienen als Treibstoff solcher Truppen und zementieren das Zusammengehörigkeitsgefühl.“
Genau auf dieses Zusammengehörigkeitsgefühl – den kritikresistenten Corps-Geist – scheint es Georg Dornauer ja auch angelegt zu haben, als er sich die kranke Tiroler Landesrätin von den Grünen „nicht in der Horizontale vorstellen wollte“ – bruhaha!
Eigentlich trifft dieser – von ihm nachträglich verleugnete – Sexismus aber die eigenen Geschlechtsgenossen, denn denen unterstellt er ja, genau so eine Zipfelchen-Ideologie zu vertreten wie er.
Alle, die einmal NLP-gelernt haben oder zumindest sprachkritisch sind, wissen: Verneinungen sind ein Kunstgriff, wenn man möchte, dass die Botschaft hängen bleibt. Klassisches Beispiel: „Denk nicht an Blau!“ Na – woran haben Sie gedacht?
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Sexuelle Phantasien
„Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“ lautet ein Sprichwort, dessen Quelle sich eigentlich im Neuen Testament – Lukas 6, 45 – findet, nur hat Martin Luther das griechische „aus dem Überfluss des Herzens spricht der Mund“ alltagstauglich eingedeutscht. Allerdings geht der Mund nicht nur aus Herzenswärme über, sondern oft auch aus Unterleibshitzen, wie beim Tiroler SPÖ-Vorsitzenden Georg Dornauer (* 1983), der seinen „Sager“, er wolle sich die kranke Grün-Landesrätin Gabriele Fischer (* 1968) „nicht in der Horizontalen vorstellen“ als ganz unschuldig und gar nicht-sexistisch camouflieren will. Dabei sagt der Satz ja schon, dass er sie sich so vorgestellt hat … und die Verwendung des Wortes „will“ entschlüsselt tiefenpsychologisch, dass ihm dieses geistige Bild offenbar zu oft in den Sinn gekommen ist … Aber vielleicht hat Dornauer auch „nur“ einen ageistischen Mutterkomplex? (Ageismus ist die Diskriminierung eines Menschen auf Grund seines Alters.) Dann ist der Sager aber doppelt sexistisch …
In irgendeinem meiner NLP-Lehrbücher wird auf die Sprachfinte hingewiesen, einem Feind gegenüber zu sagen: „Ich könnte mich ja vor Sie hinstellen und sagen, Sie sind dasgrößte XYZ, das mir je untergekommen ist – aber das tue ich nicht, weil ich Sie ja als ABC (da kommt dann eine falsche Schmeichelei, vielleicht auch was sachlich Korrektes) schätze …“ Der direkte Pfeil aus Wortgebilde und Atem kommt jedenfalls an und verletzt – außer der Andere kennt diesen Trick schon und kontert lachend: „Wie gut, dass Ihnen diese Worte so gar nicht über die Lippen wollten!“
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Sexualkundeunterricht
„TeenStar“ ist ein weltweit tätiger Verein, der in Schulen und wo immer sie dürfen, das aus ihrem Blickwinkel „richtige“ Sexualverhalten „lehrt“ – und das entspricht, wie jetzt publik wurde, dem fundamental-katholischen Lehrgebäude des 19. Jahrhunderts: Aus TeenStar-Sicht ist Sex vor der Ehe ebenso abzulehnen wie die Verwendung empfängnisverhütender Mittel, Masturbation schädlich und Homosexualität eine Krankheit, die in einer Kombination von Therapie, Seelsorge und (angeblich unterstützender, tatsächlich kontrollierender) Selbsthilfegruppen „geheilt“ werden kann.
Die an die Öffentlichkeit gelangten Unterlagen seien schon seit Monaten in Überarbeitung, verteidigten sich die TeenStar-Verantwortlichen gegen die Kritik an den wissenschaftlich unhaltbaren Inhalten ihrer „Sexualkunde“ (Salzburger Nachrichten, 22.11.2018, S. 10).
Als langjährige Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung, Univ. Prof. für Sexualtherapie und Gerichtssachverständige kann ich nur mehr heftigst gegen diese mentale Gewalt gegen Kinder protestieren – Kopfschütteln allein ist zu wenig: Denn wenn auch die individuellen Überzeugungen einzelner Personen oder Personengruppen im Sinne von deren Meinungsfreiheit zu respektieren sind, geht es nicht an, Unwahrheiten unwidersprochen zu lassen.
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Utopie Vermummungsverbot
Und wieder fällt den sogenannten ExpertInnen nichts anderes ein als Strafen – wo doch jedermensch weiß, dass Strafdrohungen noch nie jemand abgehalten hat, verbotene Untaten – es gibt ja auch tolerierte! – zu begehen.
Die einen halten sich für so superschlau, dass ihnen niemand auf die Schliche kommt – die anderen sind so vom Affekt übermannt, dass sie zumindest augenblicklich jeglicher Vernunft entbehren – und wieder andere sind dauerhaft psychisch beeinträchtigt, und dass letzterer Zustand immer mehr Menschen ergreift, zeigte beispielsweise die letzte Statistik der Gründe, deretwegen Jungmänner für den Dienst mit der Waffe untauglich erklärt wurden.
Durch Strafe lernt niemand, wie er oder auch sie sich anders verhalten könnte, sollte oder müsste.
Gewaltprävention ist aber eine Bildungsaufgabe.
Es geht immer darum, bessere, lustvollere als die primitivsten Verhaltensweisen zu erlernen.
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