Bob Dylan hat den Literatur-Nobelpreis bekommen – und sofort protestieren oder spotten manche Schriftstellerkollegen (männlich). Oder auch Literaturkritiker_innen. Es lohnt, deren Biografien zu überprüfen. Dann merkt man nämlich, wie sehr sie vermieden, sich selbst mit Dichtwerken oder anderen Schriften als Bestandsaufnahmen selbst der Kritik zu stellen.
Mich erinnert das an die Empörung, mit der einige Lehrende an der Wiener Wirtschaftsuniversität verlangten, Hinweise auf Christian Felber als Vertreter der Gemeinwohlökonomie mögen aus Schulbüchern entfernt werden – er wäre ja nur ein Publizist und kein „studierter“ Ökonom und sollte solchen weichen. Als einer der solchen wurde Karl Marx zitiert – auch ein Publizist und kein „studierter“ Wirtschaftswissenschafter – aber eben mit seinen Gedanken und Konzepten „wirksam“.
Auch der seinerzeitige „Musikpapst“ Eduard Hanslick (1825–1904) fällt mir ein: Als Komponist bedeutungslos, ist er der Nachwelt – wenn überhaupt – nur mehr als erbitterter Kritiker und Gegner Richard Wagners in Erinnerung.
Ich selbst bin auch jedes Mal diskret informiert worden, wer genau gegen mich interveniert hat, als ich in den frühen 1990er Jahren bereits für den Berufstitel Professorin eingereicht war (bekommen habe ich ihn dann 1999, als ich schon jahrelang als Gastprofessorin an der Universität Klagenfurt unterrichtet hatte) – und ebenso, wer in der Jury gegen mich gestimmt hat, als ich dann eine der ersten Preisträgerinnen des Niederösterreichischen Frauenpreises in der Kategorie Wissenschaft wurde. Und auch bei der Verleihung des Paracelsus-Rings fanden sich einige alte Herren, denen ich zu unorthodox war. Meine Schriften hatten die alle sicherlich nicht gelesen und auch meine Biographie nicht angesehen … oder es hat sie gestört, dass ich als erste in Österreich konsequent gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder und gegen Diskriminierung auf Grund der sexuellen Orientierung publiziert habe. Für Monika Kircher, damals Vizebürgermeisterin von Villach, war aber genau das der Grund, mich vorzuschlagen – eben weil dies dem Paracelsischen Geist entspräche, nämlich innovativ und wagemutig zu sein (und fundiert sowieso).
Der Rektor der später von ihm gegründeten Sigmund-Freud-Privatuniversität, Alfred Pritz, sagte einst in der parlamentarischen Enquete rund um die Diskussion um das Psychotherapiegesetz, jeder Psychoanalytiker wisse, wenn etwas in Bewegung käme, tauche sofort Widerstand dagegen auf.
Meine Beobachtung dazu ist: Die Verhinderer sind immer diejenigen, die Angst haben, zu ihren Ungunsten mit dem Neuen verglichen und danach abgedrängt zu werden; die Spielregeln aufstellen (wie die Rätsel in vielen Märchen), die als Hürden unüberwindbar sein sollen; die vorauseilend schlecht reden, was nicht so ist wie sie und dazu noch unterwürfig – und die damit Entwicklung und Erneuerung und auch Erweiterung stoppen wollen. Es soll niemand in ihre elitären Zirkel eindringen dürfen. Ich nenne das die Aschenputtel-Strategie: „Erst die Erbsen, dann die Linsen … und dann noch lange nicht …“
Bob Dylan ist ein Poet. Was er schreibt, ist Poesie und die gehört zur Literatur ihrer und unserer Zeit dazu, so wie auch die Minnelieder Walthers von der Vogelweide oder die Epen Homers oder die Psalmen Davids.
Mir sagte Elfriede Hammerl einmal, sie schreibe ja „mit einem literarischen Anspruch“. Stimmt, antwortete ich, und: ich aber auch. Ich zähle meine Bemühungen zur „Wissenschaftspoesie“ und fordere dafür auch Lebensberechtigung ein. Ich will nicht mit denen konkurrieren, für die nur die Sprache Immanuel Kants (1724–1804) Wissenschaft bedeutet – das ist nicht mein Ziel. Ich will allgemein verstanden und auch „gefühlt“ werden. Und gerade in der gegenwärtig sozial immer kälter werdenden Welt halte ich es für wichtig, Gefühle nicht auszugrenzen.
Poesie kann das – und Dylans Texte sind dafür beispielhaft.