„Entweder ist die Umwelt immer böser zu uns, oder wie reagieren immer empfindlicher auf die Umwelt“, schreibt Andreas Schwarz am heutigen Montag auf Seite 1 im Kurier, um dann darüber zu ätzen, dass sich viele Menschen als Allergiker ausweisen. Besonders der Hinweis, es gäbe jetzt „sogar“ ein „Gegenmittel“ gegen Apfelallergie, lässt ihn die Symptome „Schwellungen, Rötungen, Bläschen und Juckreiz“ mit Pseudomitleid – „wirklich arm“ – verbinden.

Bei allem Verständnis, dass es nicht so leicht ist, ein Thema fürs „Ohrwaschel“ auf der Seite 1 einer Tageszeitung zu finden, frage ich mich, was diese Abwertung der Gesundheitsbeeinträchtigung durch allergische Reaktionen bezwecken soll: Als glücklich Unbetroffener Leidende dem Spott überheblicher Lacher preiszugeben? Betroffene zum Schweigen zu bringen? Oder nur sich selbst kabarettistisch auszuleben? Oder nur ein paar Zeilen zu füllen …?

Mir gefällt nicht, wenn Meinungsmacher die professionelle Seriosität für „Scherz, Satire, Ironie“ aber leider nicht „tiefere Bedeutung“ (Titel eines Theaterstücks von Christian Dietrich Grabbe aus 1822) verlassen. (Tun ja leider auch Politiker und disqualifizieren sich damit als verantwortungsbewusste Staatslenker.)

Es liegt ja nur an der Wortwahl, Kritik ernsthaft zu äußern – und man darf ja kritisieren, dass einfaches Vermeiden von Allergenen fürs Wohlbefinden reichen würde. Allerdings besitzen Äpfel besonderen Gesundheitswert … und für Menschen, die gegen Fruchtzucker, Kuhmilch oder Weizen allergisch oder „nur“ unverträglich (der Unterschied ist bloß graduell, die oben zitierten Reaktionen gehören zur Unverträglichkeit, bei Allergien kann Lebensgefahr drohen) reagieren, bedeutet es permanent hohe Aufmerksamkeit darauf, was sich in welchem Lebensmittel verbergen könnte. Aufmerksamkeit braucht aber Zeit – und sich Zeit zu nehmen wird immer mehr zum Luxusgut. Das ist die eine Seite des Phänomens zunehmender Allergien (Unverträglichkeiten mitgemeint).

Die andere Seite sehe ich darin, dass wir alle nur bestimmte Mengen an „Gift“ ohne massive Schäden aushalten. „Die Dosis macht das Gift“, sagte schon Paracelsus – aber auch die Immunstärke der aufnehmenden Person, ergänze ich, und die nimmt mit wachsender Stressbelastung und damit meist mit dem Alter ab.

Je mehr Stress jemand zu bewältigen hat – und dazu zählen auch Scherz oder Ironie oder Spott oder, aktuell, sexuelle Belästigungen – desto mehr wird der Immunstatus geschwächt, besonders bei oftmaligen Wiederholungen. Heute kommen viele Stressoren aus der Umwelt – die wohl witzig gemeinte Formulierung im oben zitierten ersten Satz ist leider zutreffend – die es früher nicht gab: z. B. Abgase, Elektrosmog, schnell wechselnde Klimaturbulenzen, vor allem aber unsensible bis verletzende Worte – denn Allergene gibt es auch in Menschengestalt.