Menschenwürde hängt nicht von Eigenschaften ab: Sie steht uns allen zu. Anders ist das bei Verhalten, das sehr wohl kritisiert, abgelehnt oder auch bestraft werden kann und auch soll, denn wie sonst soll jemand verstehen und lernen, dass wir, die Gesellschaft, bestimmte Aktionen –  Sprechen mitgemeint – nicht dulden wollen.

Nun kann man nachsichtig sein, wenn ein kleines Kind noch nicht verstanden hat, was den Sinn darstellt, dass z. B. Rassismus, Sexismus, Ageismus – also die Diskriminierung von Menschen auf Grund ihrer ethnischen Abstammung, ihres Geschlechts oder ihres Alters – abgelehnt wird: Weil diese Geisteshaltungen Gewalt darstellen, zu sadistischen Übergriffen bis zu Bürgerkriegen eskalieren können und überhaupt die psychische und soziale Gesundheit der Betroffenen und aller, die sich mit ihnen solidarisieren, beeinträchtigen. In meiner Ausbildung zur Erwachsenenpädagogin erlebte ich dazu eine Übung, in der wir uns zuerst nach Geburtsmonat etc., dann nach Augenfarbe, dann nach Haarfarbe, aber danach nach Gewicht usw. zusammenstellen mussten. Wann immer jemand allein stehen musste, ging es dem- oder derjenigen gar nicht gut … Man muss Aussenseitertum am Leib spüren, um zu leibseelisch zu erfahren, wie wichtig es ist, nicht isoliert dazustehen. Als Erwachsene sollten wir das bereits erkannt haben. Deswegen protestiere ich ja auch gegen die Verunglimpfung von PolitikerInnen – auch sie sind kein Freiwild sondern haben Anspruch auf Respekt und Schutz ihrer Menschenwürde, vor allem von Seiten der „Meinungsmacher“ in den Medien.

Es geht aber nicht nur um solche Äußerlichkeiten, die obsolet sein sollten – es geht auch um die vermutlich unbedachte Zuschreibung von Klischees.

So zeichnet  der von mir sonst hochgeschätzte Karikaturist Witzany in den Salzburger Nachrichten vom 13. April zur Werbung für die Öffi-Jahreskarten einen Mann mit Aktentasche unterm Arm nebst einer tiefdekolletierten Frau mit Blinzelblick und dem Text: „Es fährt der Kluge und die Smarte mit der City-Jahreskarte“ … ein Ewiggestriger? Nicht nachgedacht, dass er damit Frauen Klugheit abspricht? Pfui über ihn!

Ärger aber noch finde ich aber, Menschen auf ihre sexuelle Funktion – oder sollte ich Dienstleistungsfunktion schreiben? – zu reduzieren. So heißt es in dem Artikel zum „Internet-Entzug: „Aussteigen ist schwierig, aber möglich: Fünf Schritte in Richtung reale Welt“ im Sonntag-Kurier vom 15. 4., man solle sich einen „Notfallkoffer“ für drohende Rückfälle in die Smartphone-Sucht vorbereiten, konkret: „Sex ist immer eine gute Ablenkung: Für diesen Fall halten Sie die Telefonnummer der in Frage kommenden Person parat. Die koreanischen „Trostfrauen“ – welch ein Behübschungswort! – fallen mir ein, die ihre Verschleppung (und Vergewaltigung und Folterung) in Armeebordelle durch japanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg öffentlich machten und sich um ihre Rehabilitierung engagieren. Ja, diese „Ablenkungen“ gibt es – auch ohne Tipp vom Kurier. (Ich erinnere mich an etliche Männer, die mit ihrem Telefonbüchlein und den vielen „Nummern“ – im Doppelsinn des Wortes – geprahlt haben! Aber das war in den 1970er Jahren! Da hatte sich zwischenzeitlich doch einiges geändert …) Solch ein Brauch ist ein klarer Fall von Missbrauch, von Verdinglichung eines Menschen, auch wenn die (oder der) darüber hinweggetäuscht wird. Daher auch diesmal Pfui über die – anonyme! – Person, die dieses sexistische Klischee vom beziehungslosen Geschlechtsverkehr aus der Versenkung geholt hat.