SP-Bezirksrat Götz Schrage will nach seinem sexistischen Ausritt (s. mein „Brief“ 102) sein Mandat nicht zurücklegen — und entziehen könne man es ihm nicht, heißt es in orf-online von heute (29. 5.) Nachmittag. Das wundert mich: Als ich Bezirksrätin der SPÖ war (1973–1987) mussten wir alle sobald wir gewählt waren eine Blanko-Mandatsverzichts-Erklärung unterschreiben …  aber damals bekamen wir auch keine Entlohnung (irgendwas um 500 Euro monatlich soll das heute sein) Das war genau für solche Fälle gedacht. In jeder „Firma“ dürfen Mitarbeiter bei firmenschädigendem Verhalten gekündigt bzw. fristlos entlassen werden, und das finde ich auch richtig: Wenn sich jemand nicht an die „Spielregeln“ hält/halten will, muss man ihm Zeit zur Besinnung geben. Das Mindeste wäre also, Schrages Mandatarschaft auf Zeit auszusetzen und ihm Auflagen zu geben. Vielleicht ein Anti-Gewalt-Training in der Männerberatungsstelle im 10. Wiener Gemeindebezirk …

Das ist aber nicht das eigentliche Problem — das nämlich ist seine Uneinsichtigkeit, dass und wie extrem er Grenzen überschritten hat. Und dass es noch immer — wenig überraschend — manche Geschlechtsgenossen / Genossen (!) gibt, die ihn verteidigen. Noch nie was von Gleichwürdigkeit der Geschlechter gehört? Parteiprogramm nicht gelesen?

Eines meiner Lieblingssprichwörter lautet „Ein Dieb sieht auch bei einem Heiligen nur die Taschen.“ Analog könnte man sagen: „Ein Sexist denkt auch bei regierenden Frauen nur an den Unterleib.“

In der „Psychologik“ des umstrittenen Berliner Thelemiten Michael D. Eschner (1949–2007) heißt es: „Jeder Larvale [d.h. seines Selbst nicht Bewusste] redet immer über seine Realität, denn die will er bestätigt haben.“ Dabei sind die vier untersten „Schaltkreise“ (eine Anlehnung an Timothy Leary) der psychischen Entwicklung (und damit der jeweiligen Realität) das Fressen (da gehört Sex — die schnelle Einverleibung — dazu), der Berufs-Aufstieg, technische Probleme (z. B. Auto oder Sport) und was andere tun (Klatsch). Eschner formuliert: „Fickst du, denkst du oder isst du gerade? Nein? Willkommen auf dem zweiten Schaltkreis!“ Erst ab dem fünften Schaltkreis beginnt Bewusstseinserweiterung und damit Freiheit, erklärt Eschner, warnt aber auch: „Wenn du erst einmal imstande bist, die Schaltkreise eindeutig zuzuordnen, wird dich früher oder später das Grausen überkommen. Als erstes wirst du feststellen, dass du in einer Welt lebst, die von seelenlosen, biologischen Robotern bevölkert ist, und dann wirst du dich ziemlich einsam fühlen. Aber vielleicht gehst du dann dazu über, auch bei dir festzustellen, auf welchem Schaltkreis du dich jeweils befindest, und dann wird die Situation erst tatsächlich dramatisch, denn dann bemerkst du, dass du ein genauso seelenloser Roboter bist, und an diesem Punkt hast du nur zwei Möglichkeiten: Verzweiflung oder Erleuchtung.“ (S. 145 ff.)

Wer festklebt, hat kaum Möglichkeit zur körperlichen Bewegung und damit  auch zur seelisch-geistigen Weiterentwicklung. Frei nach Friedrich Nietzsche formuliert, lautet dessen Aufforderung: „Empor sollst du dich pflanzen, nicht nur fort.“ (Korrektes Zitat in meinem Buch „Mut — Das ultimative Lebensgefühl“, S. 151)