Sozialministerin Hartinger-Klein wolle die Allgemeine Unfall Versicherungs Anstalt „aus persönlichen Rachegelüsten“ auflösen, meldete der neue „Bundesgeschäftsführer“ der SPÖ (vor Vranitzky hieß diese Funktion „Zentralsekretär“, aber das klang dem „Sozialisten im Nadelstreif“ (SN 04.10.2012) zu sehr nach Sowjetunion), Max Lercher, weil sie sich 2017 „vergeblich um eine AUVA-Führungsposition beworben habe“. (Kurier, 08.04., S. 2). In der Psychoanalyse nennen wir so etwas „Projektion“: Man unterstellt einem anderen eine eigene Gesinnung, die man bei sich selbst aber nicht wahrnimmt. Schon in der Bibel (Mt 7,3) wird auf diesen „heuchlerischen“ (Mt 7,5) Selbstschutzmechanismus hingewiesen: Da heißt es „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen bemerkst du nicht?“ Einfache Antwort: Weil es dem angesprochenen Pharisäer nicht darum geht, dem Bruder zu helfen, sondern ihn schlecht zu machen.

Lercher, Bakkalaureus der Politologie, scheint außer innerhalb der SPÖ noch nirgends anderwärtig gearbeitet zu haben – außer während seines 6 Jahre dauernden (vorgesehen sind 3) Studiums am Bau. Ich würde mir wünschen, dass er sich statt Rache zu projizieren z. B. dafür einsetzt, dass WerkstudentInnen nicht finanziell bestraft werden, wenn sie nicht in Bestzeit ihr Studium abschließen. Es ist ein Unterschied, ob jemand bereits beruflich Arrivierter ein Studium nachholt oder sich dafür neben Gelegenheitsjobs abmüht, und das sollte man berücksichtigen.

Und ich würde mir wünschen, dass er nicht versucht, dadurch „in die Medien zu kommen“ (was ich nicht als seine Aufgabe sehe, er sollte sich doch um die innere Organisation kümmern – und da sehe ich noch keine Erfolge, siehe letzthin Wien) eine anerkannte Fachfrau kleinlicher Gesinnung zu zeihen. Die Betriebswirtin Mag. Hartinger-Klein war immerhin zwanzig Jahre in führenden Positionen im Krankenanstalten- und Sozialversicherungsbereich erfolgreich, zuletzt als stellvertretende Generaldirektorin des Hauptverbandes. Warum wird diese Kompetenz medial nicht angeführt? Wenn sie die AUVA kritisiert, dann hatte sie in der Vergangenheit reichlich Einblicke. Es ist jedoch typisch: Man(n) sagt so leicht was Unwahres aber dafür Medienträchtiges über eine Topmanagerin und die Medien übernehmen es sofort – wie wenn nicht sachlich genug zu kritisieren wäre, aber dazu muss man eben Sachkenntnisse haben. Egal ob man Oppositionspolitiker ist oder Journalist, es ist halt leichter, die Person anzugreifen als sich die Mühe der sachlichen UND neutralen Kritik-Vorbereitung zu machen.

Mir geht es nun aber nicht um die AUVA (für die ich jahrelang gearbeitet habe) oder Hartinger- Klein, mir geht es um die Häme der „vergeblichen Bewerbung“.  Wer die Bewerbungspraxis im Topmanagement, egal ob ein Ministerium oder eine der Rieseninstitutionen, kennt, weiß: Es ist üblich und sinnvoll, sich um die Jobs zu bewerben, die einen interessieren – besonders dann, wenn man der Ansicht ist, dort Verbesserungen bewirken zu können. In meinem neuen Buch „Fräulein, Mannin … Königin! Weibliche Kraft in allen Lebenslagen!“ (ab 10. Mai im Buchhandel) beschreibe ich beispielsweise, wie eine hochrangige Managerin von einer Geschwisterinstitution aufgefordert wurde, sich für eine alleinleitende Spitzenfunktion im System zu bewerben – und als sie diese nicht bekam und nach den Gründen fragte, was ich zwecks Eigenverbesserung für wichtig halte, gesagt bekam, die Besetzung wäre ohnedies schon festgestanden, aber man habe eine qualifizierte Frau im Dreiervorschlag gebraucht … Mit welchem „Zauberwort“ ich meiner Coachee über das Gefühl, ausgetrickst worden zu sein, hinweg geholfen habe, ist in meinem Buch nachzulesen … Aber das weiß halt keiner, der nur die partei-internen Packeleien der Postenvergaben kennt. (Ich kenne beides!)

Als ich im vergangenen August – zwei Wochen vor meinem 50-Jahre-Mitgliedschafts-Jubiläum – aus meiner Partei austrat, mailte mich ein Mann, dessen Namen mir nichts sagte, ebenso hämisch an mit der Unterstellung, ich täte dies nur „weil ich in der Partei nichts geworden“ sei. Ich habe nobel darauf verzichtet, ihm zurück zu mailen, dass ich im Frühjahr 1994 als Gesundheitsministerin angefragt worden war und sofort abgelehnt hatte (weil ich als langjährige Mandatarin ja wusste, man war sicher deshalb auf mich gekommen, weil ich – promovierte Juristin, Pädagogin und Psychotherapeutin – medial sehr präsent war, hatte ich doch oft genug in Sitzungen gehört „Den kennt doch keiner!“, aber ohne Kammer oder Gewerkschaft als Back Office wäre das ein Himmelfahrtskommando gewesen – und außerdem arbeite ich lieber an der Basis oder auch im Back Office. Wenn ich „etwas werden“ hätte wollen, hätte ich nicht 1987 mein Mandat zurück gelegt. Aber wie schon zu Beginn gesagt: Gegen Projektionen ist man machtlos – man sollte sich mit ihnen nicht aufhalten.