Es ist gut, wenn Parlamentspräsident Sobotka, studierter Historiker, eine Forschungsarbeit zu „belasteter Sprache“ anregt (Kurier, 06.05.2018, S. 5). Ich würde allerdings präzisieren: Es sollte erforscht werden, wer heute – zum Beispiel innerhalb der letzten drei Jahre – wann und zu welchem Anlass solche Ausdrücke des „Neusprech“ aus der NS-Zeit verwendet hat – und auch andere gezielt diskriminierende oder verwirrende, denn diese Methoden der Sprachsuggestion wurden ja zwischenzeitlich perfekt weiterentwickelt. Das hat der langjährige Linzer Wirtschaftsprofessor und NLP-Master Walter Ötsch in seinen Büchern „Haider light“ und dessen Neubearbeitung „Populismus für Anfänger“ klar verständlich aufgezeigt. Sprachbewusste Politiker sind sprach-trainiert – oder „Naturtalente“. Derzeit kann das medienträchtige Spiel mit solchen Sprachbildern exzellent bei Ex-Kanzler Christian Kern, vom Studium her Kommunikationswissenschaftler, beobachtet werden (jüngstes Beispiel: die Regierungsspitze als „russische Pyramide“ – zwei Betrunkene stützen einander – zu bezeichnen).

Erforscht wurde die NS-belastet Sprache hingegen schon längst.  Ich verweise z. B. auf das Buch des Frankfurter Universitätsprofessors Horst Dieter Schlosser „Sprache unterm Hakenkreuz. Eine andere Geschichte des Nationalsozialismus“, Böhlau 2013.

Es ist nicht leicht, auf solche Sprachgewalt zu verzichten, wenn man sie tagtäglich zu hören und lesen bekommt. Man muss sich selbst kontrollieren und das bedeutet, im Vorhinein zu überprüfen, ob man nicht unbewusst oder oberflächlich ein missverständliches Wort benutzt. So hat mich meine Webmistress, die meine „Briefe gegen Gewalt“ ins Internet stellt, letzthin (bei Brief Nr. 27 zu den Vergewaltigungen in Indien) auf so etwas aufmerksam gemacht und meine Formulierung „verständlich“ (nämlich die Dominanzbedürfnisse machtloser Männer) durch „nachvollziehbar“ ersetzt.

Politische Korrektheit besteht nicht nur im Verzicht auf Diskriminierung, sondern auch in Achtsamkeit auf mögliche Verharmlosungen oder Dramatisierungen. Auch ich muss stets aufpassen – deswegen brauche ich auch immer ziemlich lange Zeit für meine Texte.

Aufpassen hätte aber auch Michael Köhlmeier sollen in seiner Festrede beim Gedenkakt des Parlaments (https://neuwal.com/2018/05/05/transkript-michael-koehlmeier-beim-gedenkakt-des-parlaments-gegen-gewalt-und-rassismus/), denn als er sagte: „Und sicher haben Sie sich gedacht, hätten diese armen Menschen damals doch  nur fliehen können. Aber Sie wissen doch, es hat auch damals solche Menschen gegeben, auf der ganzen Welt, die sich damit brüsteten, Fluchtrouten geschlossen zu haben.“, skizzierte er ein Bild erstens ohne Nachweis, welche Menschen er konkret meinte – ich vermute die deutschen Gestapo-Leute, die z. B. in Frankreich geflüchtete Juden verfolgten –  und zweitens ohne die Fluchtrichtung anzugeben: Es ist ein Unterschied, ob jemand von wo weg will oder ob jemand woanders hin will, auch wenn die Gründe womöglich die gleichen sind. Diese – vermutlich absichtlich vage – Vermischung empfinde ich als nicht korrekt – sondern als mediengerechten „Sager“ – oder als Versuch einer Kritik ohne den Mut, sich deutlich und konkret zu äußern.

Was nämlich auch zur politischen Korrektheit zählt, ist sich exakt zu deklarieren: Wenn B plötzlich ins Haus von A kommt und von ihm Logis, Kost, Taschengeld verlangt und A will das nicht und wehrt sich gegen diese Form von Gewalt, so finde ich es nicht in Ordnung zu versuchen, ihm für seine klare Willensäußerung Schuldgefühle anzuzüchten; die Lösung sollte dann wohl nicht zwischen B und A erzwungen werden, sondern es sollten weitere, dritte, vierte usw. Lösungen angedacht werden. Wer dafür ist, dass B aufgenommen wird, soll ihn selbst aufnehmen (oder dafür Orte finden – es gibt bekanntlich leerstehende Wohnobjekte, allerdings sind nicht alle geeignet) und nicht andere dazu zwingen. Das wäre auch wiederum Gewalt.

Sich zu vertragen braucht Verträge – also wohlwollende Gegenseitigkeit, und die wiederum braucht auch Bereitschaft zur Vertragstreue.